Silberlinge
beiden Händen übers Gesicht. »Weißt du, was ich jetzt brauche?« Entweder eine nackte, sich windende, begierige Susan oder eine Dusche mit Flüssigstickstoff. »Ich brauche ein Bier. Willst du auch eins?«
»Lieber nicht«, lehnte sie ab. »Ich glaube, es wäre nicht gesund, wenn ich jetzt meine Hemmschwelle herabsetze.«
Nickend stand ich auf und ging zu meiner Kühlkiste. Es ist ein richtiger Kühlkasten, der mit echtem Eis statt mit Kühlmittel betrieben wird. Ich holte mir eine Flasche von Macs dunkelbraunem selbstgebrautem Ale, öffnete sie und trank einen großen Schluck. Mac wäre entsetzt gewesen, wenn er gesehen hätte, dass ich sein Bier kalt trank, denn er brüstete sich damit, altmodisches englisches Bier zu brauen. Aber ich hatte immer zwei Flaschen in der Kühlkiste, ich bin nun mal ein ungebildeter barbarischer amerikanischer Magier. Als ich die Flasche halb geleert hatte, presste ich mir das kalte Glas an die Stirn. »Also«, sagte ich. »Dann ist wohl nicht damit zu rechnen, dass du gleich, äh…«
»Dass ich dir die Kleider vom Leib reiße und schamlos über dich herfalle?«, ergänzte Susan. Sie sprach wieder ruhiger, doch ich spürte, wie sehr sie mich begehrte. Allerdings war ich nicht sicher, ob ich das schmeichelhaft oder beängstigend finden sollte. »Nein. Es ist… das sollte ich mit dir nicht tun. Ganz egal, wie sehr wir es beide wollen.«
»Warum nicht?« Ich wusste es längst, doch die Frage war mir über die Lippen gekommen, bevor ich mich zurückhalten konnte. Misstrauisch beäugte ich das Bier.
»Ich will nicht die Kontrolle verlieren«, erwiderte Susan. »Nie wieder. Mit niemandem. Ganz besonders nicht mit dir.« Ein tiefes Schweigen folgte, das Feuer knackte leise. »Es würde mich umbringen, wenn ich dir weh tun würde.«
Genauer gesagt, würde es auch mich umbringen, dachte ich. Denk doch mal an sie und nicht nur an dich selbst, Harry. Beherrsche dich. Es ist nur ein Kuss. Lass los.
Ich trank mein Bier aus, das lange nicht so angenehm schmeckte wie die anderen Dinge, die ich kurz zuvor gekostet hatte. Dann sah ich noch einmal im Kühlkasten nach. »Willst du lieber eine Cola?«
Sie nickte und sah sich um. Auf dem Kaminsims, wo ich ihre Postkarten und den billigen kleinen Ring aufbewahrte, den sie abgelehnt hatte, verweilte ihr Blick etwas länger. »Wohnt hier sonst noch jemand?«
»Nein.« Ich holte zwei Dosen und gab ihr eine. Sie nahm sie, ohne meine Finger zu berühren. »Warum fragst du?«
»Es sieht nett aus«, sagte sie, »und deine Kleidung riecht nach Weichspüler. Den hast du noch nie freiwillig benutzt.«
»Oh, das meinst du.« Man kann schlecht zugeben, dass einem Elfen den Haushalt führen, sonst werden die kleinen Leute sauer und gehen. »Ich habe eine Art Putzdienst.«
»Du bist sicher viel zu beschäftigt, um selbst zu putzen«, sagte Susan. »Ich komme einigermaßen zurecht.«
Susan lächelte. »Wie ich hörte, hast du uns alle vor einer Art Weltuntergang gerettet. Ist das wahr?«
Nervös fummelte ich an meiner Coladose herum. »Irgendwie schon.«
Sie lachte. »Wie rettet man irgendwie die Welt?«
»Es war eine Art Greenpeace-Einsatz. Hätte ich versagt, dann hätte es ein ungewöhnlich schlimmes Unwetter gegeben, aber die wahren Schäden wären erst in dreißig oder vierzig Jahren ans Licht gekommen. Der Klimawandel braucht seine Zeit.«
»Klingt beängstigend«, meinte Susan.
Ich zuckte mit den Achseln. »Vor allem habe ich dabei versucht, mich selbst zu retten. Die Welt war eine Dreingabe. Vielleicht bin ich auch zu zynisch. Im Grunde habe ich die Feenwesen nur davon abgehalten, alles ins Chaos zu stürzen, weil wir das selbst viel besser können.«
Ich setzte mich wieder, wir öffneten die Dosen und tranken eine Weile schweigend. Irgendwann beruhigte sich auch mein heftig pochendes Herz.
»Ich vermisse dich«, sagte ich schließlich. »Deine Redakteurin vermisst dich übrigens auch. Sie hat mich vor zwei Wochen angerufen und gemeint, von dir kämen keine Beiträge mehr rein.«
Susan nickte. »Das ist ein Grund dafür, dass ich hier bin. Ein bloßer Brief oder ein Anruf wären ihr gegenüber nicht fair gewesen.«
»Dann hörst du also auf?«, fragte ich.
Sie nickte.
»Hast du was Neues gefunden?«
»Gewissermaßen«, sagte sie und strich sich mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht. »Ich kann dir aber im Augenblick nicht viel verraten.«
Ich runzelte die Stirn. Seit ich sie kannte, hatte Susan stets mit großer Leidenschaft
Weitere Kostenlose Bücher