Silberlinge
magischen Zutaten und verschiedene andere Utensilien, die in größeren Haushalten sonst in einer riesigen Schublade in der Küche verschwinden. Bücher, Notizblöcke, Zeitschriften und Dokumente lagern neben Behältern, Schachteln und Beuteln, in denen ich Kräuter, Wurzeln und magische Zutaten aufbewahre – von einer Flasche Schlangenzischen bis zu einer Ampulle Mariendistelextrakt.
Hinten im Raum bleibt ein Teil des Bodens ständig frei. Dort ist ein kupferner Ring in den Boden eingelassen, den ich als Beschwörungskreis benutze. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man nie weiß, wann man einen rituellen Kreis braucht, um sich vor magischen Angriffen zu schützen oder – noch wichtiger – um einen Bewohner des Niemalslandes darin festzuhalten.
Eins der Regale war nicht ganz so vollgestopft wie die anderen. An beiden Enden standen Kerzenhalter, die unter Bächen von buntem geschmolzenem Wachs völlig verschwunden waren und inzwischen aussahen wie Miniaturausgaben des Vesuv. Den Rest des Regals nahmen Bücher, überwiegend billige Liebesromane, und verschiedene weibliche Accessoires ein. Inmitten von alledem thronte ein gebleichter menschlicher Schädel. Ich tippte mit einem Bleistift aufs Regal. »Wach auf, Bob. Wir müssen arbeiten.«
In den Tiefen der Augenhöhlen flammten orangefarbene oder goldene Punkte auf und strahlten allmählich heller, während ich durch den Raum ging, um ein halbes Dutzend weitere Kerzen und eine Kerosinlampe anzuzünden.
Der Schädel klapperte ein wenig und sagte: »In wenigen Stunden beginnt die Morgendämmerung, und du fängst jetzt erst an? Was ist los?«
Ich holte Becher, Ampullen und einen kleinen Alkoholbrenner. »Es gibt Ärger«, sagte ich. »Es war ein mieser Tag.« Dann berichtete ich Bob dem Schädel von den Ereignissen im Fernsehstudio, der Herausforderung des Vampirs, dem Killer, dem vermissten Grabtuch und der mit Seuchen vollgepumpten Leiche.
»Mann. Du machst keine halben Sachen, was?«
»Jetzt brauche ich Ratschläge, keine Kritik. Ich muss einige Dinge überprüfen und ein oder zwei Tränke brauen, und du sollst mir helfen.«
»Gern«, willigte Bob ein. »Wo beginnen wir?«
»Bei Ortega. Wo ist meine Kopie des Abkommens?«
»In einer Pappschachtel«, sagte Bob. »Drittes Regal, unterstes Fach, hinter den Einmachgläsern.«
Ich fand die Schachtel und wühlte darin herum, bis ich eine mit weißem Band verschnürte Pergamentrolle gefunden hatte. Der mit verschnörkelter Handschrift geschriebene Text begann mit dem Wort Insofern, danach verstand ich nicht mehr viel.
»Ich kann damit nichts anfangen«, sagte ich. »Wo ist der Abschnitt über Duelle?«
»Es ist der fünftletzte Paragraph. Willst du einen Überblick?«
Ich rollte das Dokument wieder zusammen. »Schieß los.«
»Die Regeln beruhen auf dem Code Duello«, erklärte Bob. »Eigentlich bilden viel ältere Regelungen, die ihrerseits den Code Duello beeinflussten, die Grundlage, aber das ist eine Diskussion um die Henne und das Ei. Ortega ist jedenfalls der Herausforderer, und du bist der Geforderte.«
»Das weiß ich. Ich darf also Waffen und Ort wählen, richtig?«
»Falsch«, widersprach Bob. »Du wählst die Waffen, er wählt Zeit und Ort.«
»Verdammt«, murmelte ich. »Ich wollte irgendwo in einem Park High Noon spielen. Also bleibe ich darauf beschränkt, magische Waffen zu wählen.«
»Falls du diese Möglichkeit überhaupt hast, doch das trifft fast immer zu.«
»Wer entscheidet es?«
»Die Vampire und der Rat werden aus einer Liste einen neutralen Schiedsrichter auswählen, der dann entscheidet.«
Ich nickte. »Wenn ich keine Magie einsetzen darf, bin ich im Eimer, was? Ich meine, was kann ich ohne Magie schon ausrichten?«
»Du musst sehr vorsichtig sein. Es muss eine Waffe sein, die auch er benutzen kann. Wenn du eine wählst, die ihm nicht zur Verfügung steht, kann er sich weigern und dich zwingen, deine zweite Wahl zu nehmen.«
»Was bedeutet das?«
»Ganz egal, was passiert, wenn er nicht mit Magie gegen dich kämpfen will, dann muss er es nicht. Ortega wäre kein Kriegsherr geworden, wenn er nicht fähig wäre, die Dinge gründlich zu durchdenken. Es spricht einiges dafür, dass er ziemlich genau weiß, was du kannst, und entsprechende Vorkehrungen getroffen hat. Was weißt du über ihn?«
»Nicht viel. Nur, dass er wahrscheinlich ein schwieriger Gegner ist.«
Bobs Augenlichter starrten mich einen Moment an. »Tja, Napoleon, diese taktische Genialität wird er nie
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