Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
vor dem Eingang und sagte: »Ich warte hier draußen auf euch.« Er gab Susan ein winziges Handy, das sie in ein kleines Etui steckte. »Wenn es Ärger gibt, wähle die Eins.«
    In diesem Augenblick öffnete auch schon ein Diener die Tür an meiner Seite, und ich stieg aus. Mein geliehener Smoking fühlte sich etwas ungewohnt an. Die Schuhe passten in der Länge, waren aber drei Zentimeter zu breit. Ich ließ die Schultern kreisen, bis die Jacke richtig saß, zog den Kummerbund gerade und reichte Susan eine Hand. Sie stieg mit strahlendem Lächeln aus und rückte mir die Fliege zurecht.
    »Lächeln«, sagte sie leise. »Hier sind alle um ihr Image bemüht. Wenn du finster dreinschaust, fallen wir sofort auf.« Also lächelte ich und hoffte, man möge es mir abkaufen. Susan begutachtete mich kritisch, nickte zufrieden und hakte sich bei mir ein. So gingen wir im Schutze unseres Lächelns hinein. Ein Wachmann hielt uns hinter der Tür auf, Susan zeigte ihm die Tickets, und er winkte uns durch.
    »Zuerst müssen wir die Treppe finden«, sagte ich, ohne mein Lächeln zu verändern. »Die Laderampe dürfte in der Nähe der Küche sein, und zwar unter uns im Keller. Dort bringen sie die Kunstobjekte hinein.«
    »Noch nicht.« Susan ging unbeirrt weiter. »Wenn wir herumschnüffeln, kaum dass wir da sind, wird jemand etwas bemerken. Wir sollten uns unters Volk mischen, bis die Auktion begonnen hat, dann sind die Leute abgelenkt.«
    »Wenn wir warten, kann die Sache unbemerkt über die Bühne gehen, während wir hier posieren.«
    »Kann sein«, erwiderte Susan. »Allerdings ist es möglich, dass Anna Valmont und der Käufer ebenso denken wie ich.«
    »Wann beginnt die Auktion?«
    »Um elf.«
    »Wenn die Notiz bedeutet, dass der Verkauf um Viertel vor zwölf stattfinden soll, haben wir nicht viel Zeit, uns umzusehen. Das Hotel ist riesig.«
    Als wir vor den Aufzügen standen, fragte Susan mit hochgezogenen Augenbrauen: »Hast du eine bessere Idee?«
    »Noch nicht«, gab ich zu, während ich mein Spiegelbild auf einer polierten Messingsäule betrachtete. Eigentlich sah ich gar nicht so schlecht aus. Nicht von ungefähr hat der Smoking ein ganzes Jahrhundert praktisch unverändert überstanden. In einem Smoking sieht jeder Mann gut aus, ich war das lebende Beispiel dafür. »Ob es hier wohl etwas zu essen gibt? Ich bin am Verhungern.«
    »Kleckere dir bloß nichts aufs Hemd«, murmelte Susan.
    »Kein Problem, ich wische mir einfach die Finger am Kummerbund ab.«
    »Mit dir kann man auch nirgendwo hingehen.« Sie lehnte sich leicht an mich, und es fühlte sich angenehm an. Wirklich angenehm. Ich war gut gekleidet und hatte eine wundervolle Frau – nein, ich hatte Susan an meiner Seite, die hinreißend aussah. Das war ein kleiner Silberstreif zwischen all den Gewitterwolken, die sich über mir zusammenbrauten. Mein Glücksgefühl hielt sich während der ganzen Fahrt im Aufzug. Ich genieße die kleinen Freuden, wann immer sie sich bieten.
    Wir folgten dem Strom der festlich gekleideten Gäste bis in einen riesigen Ballsaal. An der Decke hingen Lüster, die Tische waren mit teuren Snacks und Eisskulpturen überladen. Hinten spielte eine Kapelle lässigen, klassischen Jazz. Einige Paare schwebten elegant über die Tanzfläche von den Ausmaßen eines Tennisplatzes.
    Der Raum war nicht überfüllt, doch etwa zweihundert Gäste waren bereits da, und hinter uns kamen weitere. Höfliches, unaufrichtiges Geplauder war überall zu hören, begleitet von gleichermaßen unaufrichtigem Lächeln und Lachen. In der Nähe entdeckte ich einige örtliche Politiker, zwei Berufsmusiker und mindestens einen Filmregisseur.
    Ein Kellner in weißem Jackett bot uns von einem Tablett Champagner an, ich besorgte uns zwei und gab ein Glas an Susan weiter. Sie hob es zum Mund, trank aber nicht. Der Champagner roch gut. Ich nippte, und er schmeckte auch gut. Da ich nicht viel vertrage, hörte ich nach dem ersten Schluck gleich wieder auf. Champagner auf leeren Magen war keine gute Idee, falls ich rasch denken, das Gelände verlassen oder sonst wie rasch handeln musste.
    Susan grüßte ein älteres Paar und blieb stehen, um uns vorzustellen. Ich lächelte unverdrossen und ließ an den richtigen Stellen höfliche Bemerkungen fallen. Mir taten allmählich die Wangen weh. Eine halbe Stunde ging es in dieser Weise weiter, während die Band dezente Tanzmusik spielte. Susan hatte fünf oder sechs Jahre als Reporterin in Chicago gearbeitet und dabei offenbar

Weitere Kostenlose Bücher