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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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am dünnen Grasbewuchs, der wie braune, abblätternde Tünche von Hügeln und Erhebungen herabhing, an den verkümmerten Bäumen und ausgetrockneten Dorfbrunnen. Im fünfzigsten Jahr der Herrschaft Ailells wurde das Großkönigtum schwerer heimgesucht als je zuvor seit Menschengedenken.
    Für Kevin und Paul, die an diesem Morgen zusammen mit Diarmuid und sieben seiner Männer gen Süden ritten, offenbarte sich die Lage der Dinge mit brutaler Deutlichkeit vor allem in den verkniffenen, erbitterten Gesichtern der Bauern, denen sie auf der Straße begegneten. Schon jetzt überzog die Sonnenglut das Land mit schimmernden Luftspiegelungen. Der Himmel war wolkenlos.
    Doch Diarmuid legte ein scharfes Tempo vor, und Kevin, der kein geübter Reiter war und eine schlaflose Nacht hinter sich hatte, war außerordentlich erleichtert, als sie im vierten Dorf, durch das sie kamen, vor einem Schankhaus haltmachten.
    Sie nahmen ein eiliges Mahl aus scharf gewürztem Fleisch, Brot und Käse zu sich, dazu reichlich dunkles Bier, um sich den Staub der Straße aus der Kehle zu spülen. Während Kevin gierig aß, sah er Diarmuid kurz mit Carde sprechen, der sich daraufhin unauffällig dem Schankwirt näherte und mit ihm in einen Nebenraum verschwand. Als er Kevins Blick bemerkte, trat der Prinz an den langen Holztisch, an dem er und Paul mit einem hageren, dunklen Mann namens Erron saßen.
    »Wir fragen nach eurem Freund«, teilte Diarmuid ihnen mit. »Das ist einer der Gründe, warum wir hier sind. Aus dem gleichen Grund ist Loren nach Norden aufgebrochen, und ich habe eine Botschaft an die Küste geschickt.«
    »Wer ist bei den Frauen?« fragte Paul Schafer sofort. Diarmuid lächelte. »Vertraut mir«, sagte er. »Ich weiß wohl, was ich tue. Es sind Wachen aufgestellt, und obendrein ist Matt im Palast zurückgeblieben.«
    »Loren hat sich ohne ihn auf den Weg gemacht?« hakte Paul in scharfem Ton nach. »Wie …?«
    Diarmuid zeigte sich noch amüsierter als zuvor. »Unser Freund kann auch ohne Magie auf sich aufpassen. Er besitzt ein Schwert und kann damit umgehen. Du machst dir ziemliche Sorgen, nicht wahr?«
    »Überrascht Euch das?« warf Kevin ein. »Wir haben keine Ahnung, wo wir sind, wir beherrschen die hiesigen Gepflogenheiten nicht, Dave ist verschwunden, wer weiß wohin – und wir wissen nicht einmal, wohin wir jetzt mit Euch unterwegs sind.«
    »Der letzte Punkt«, beruhigte ihn Diarmuid, »ist leicht aufzuklären. Wir versuchen, den Fluss nach Cathal zu überqueren. Des Nachts und heimlich, weil wir höchstwahrscheinlich getötet werden, falls man uns entdeckt.«
    »Ich verstehe«, bemerkte Kevin und schluckte. »Und dürften wir wohl erfahren, warum wir uns dieser unerfreulichen Möglichkeit aussetzen?«
    Zum ersten Mal an diesem Morgen erstrahlte Diarmuids Lächeln in aller Pracht. »Natürlich dürft ihr das«, erwiderte er gutmütig. »Ihr werdet mir helfen, eine Dame zu verführen. Sag, Carde«, murmelte er und wandte sich ab, »hast du etwas erfahren?«
    Es gab nichts zu erfahren. Der Prinz trank sein Bier aus und schritt zur Tür. Die anderen standen hastig auf und folgten ihm. Eine Anzahl von Dorfbewohnern hatte sich vor dem Schankhaus eingefunden, um zuzusehen, wie sie davonritten.
    »Mörnir schütze Euch, junger Prinz!« rief ein Bauer begeistert. »Und er möge im Namen des Sommerbaums den alten Mann zu sich nehmen, damit Ihr unser König werdet!«
    Bei den ersten Worten hatte Diarmuid huldvoll die Hand gehoben, aber der letzte Satz des Rufers ließ ihn sein Pferd hart herumreißen. Eine gefährliche Stille breitete sich aus. Das Gesicht des Prinzen war eiskalt geworden. Nichts und niemand regte sich. Dann hörte Kevin über ihren Köpfen ein lärmendes Geflatter, als sich ein dichter Krähenschwarm in die Luft erhob und für einen Augenblick die Sonne verdunkelte.
    Als endlich Diarmuids Stimme ertönte, klang sie feierlich und gebieterisch. »Die Worte, die du sprachst, bedeuten Hochverrat«, hielt ihm Ailells Sohn vor, dann wandte er sich zur Seite und sagte ein einziges Wort: »Coll.«
    Möglich, dass der Bauer den Pfeil nicht wahrnahm, der ihn tötete. Diarmuid sah ihn jedenfalls nicht. Er galoppierte bereits, ohne sich noch einmal umzublicken, die Straße entlang, während Coll seinen Bogen senkte. Als der Schock sich endlich gelegt hatte und das Geschrei einsetzte, hatten alle zehn bereits die Wegbiegung hinter sich, die sie nach Süden führte.
    Kevins Hände zitterten vor Entsetzen und Wut, während er

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