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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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was Jennifer zu der plötzlichen Erkenntnis veranlasste, dass sie in diesem Raum unter Beschuss stand.
    Sie parierte Jaelles Worte, um ihr Gleichgewicht wieder zu finden. »Kim ist bei der Seherin, ja. Warum nennt Ihr sie ein hässliches altes Weib?«
    Jaelle war gar nicht mehr so liebenswürdig. »Ich bin es nicht gewohnt, mich erklären zu müssen«, rügte sie.
    »Ich auch nicht«, lautete Jennifers prompte Antwort. »Das dürfte unseren Gesprächsstoff irgendwie einschränken.« Sie lehnte sich in die Kissen zurück und musterte die andere Frau.
    Jaelles Antwort, als sie schließlich erfolgte, klang heiser vor Erregung. »Sie ist eine Verräterin.«
    »Nun, das ist nicht das gleiche wie ein hässliches altes Weib, wisst Ihr«, stellte Jennifer fest und war sich bewusst, dass sie jetzt argumentierte wie Kevin. »Eine Verräterin am König, meint Ihr? Ich hätte nicht geglaubt, dass Ihr Euch darum Sorgen machen würdet, und gestern –«
    Jaelles erbittertes Lachen ließ sie verstummen. »Nein, nicht an dem alten Toren!« Sie atmete tief ein. »Die Frau, die Ihr Ysanne nennt, war die jüngste, die je unter die Mormae der Göttin in Gwen Ystrat aufgenommen wurde. Sie ist fortgegangen. Sie hat einen Eid gebrochen, als sie fortging. Sie hat ihre Zauberkräfte verraten.«
    »Sie hat Euch persönlich verraten, meint Ihr wohl«, fühlte Jennifer vor und behielt damit die Offensive.
    »Seid doch nicht töricht! Ich war damals noch gar nicht geboren.«
    »Nicht? Aber Ihr scheint Euch sehr darüber aufzuregen. Warum ist sie denn fortgegangen?«
    »Aus keinem triftigen Grund. Es gibt keinen triftigen Grund.« Die Hinweise waren nur allzu deutlich. »Dann ist sie wegen eines Mannes gegangen, nehme ich an«, mutmaßte Jennifer.
    Das hierauf folgende Schweigen war ihr Antwort genug. Nach einer Weile meldete Jaelle sich noch einmal zu Wort, und ihre Stimme war bitter und kalt. »Sie hat sich verkauft, um des Nachts ihren Körper gebrauchen zu können. Möge das hässliche alte Weib bald sterben und auf ewig verloren sein.«
    Jennifer schluckte. Aus einem Wortwechsel war plötzlich etwas ganz anderes geworden. »Ihr seid recht nachtragend, wie?« brachte sie vor.
    »Allerdings«, erwiderte Jaelle sogleich. »Ihr tätet gut daran, dies nicht zu vergessen. Warum ist Loren heute Morgen gen Norden aufgebrochen?«
    »Ich weiß es nicht«, stammelte Jennifer, schockiert von der unverhüllten Drohung in Jaelles Worten.
    »Ihr wisst es nicht? Ein merkwürdiges Verhalten, nicht wahr? Gäste in den Palast zu holen und dann allem von dannen zu reiten. Und dass er Matt zurückgelassen hat, ist besonders merkwürdig. Ich frage mich«, sagte Jaelle. »Ich frage mich, nach wem er suchen könnte? Wie viele von euch sind tatsächlich herübergekommen?«
    Das kam allzu plötzlich, zu geschickt. Jennifer merkte mit klopfendem Herzen, dass sie rot geworden war.
    »Ihr erweckt den Eindruck, als wäre Euch heiß«, bemerkte Jaelle gelassen. »Nehmt doch etwas Wein.« Sie schenkte aus einer langhalsigen Silberflasche ein. »Also wirklich«, fuhr sie fort, »es ist für Loren ganz und gar ungewöhnlich, so plötzlich seine Gäste alleinzulassen.«
    »Davon weiß ich nichts«, entgegnete Jennifer. »Wir sind zu viert. Keiner von uns ist näher mit ihm bekannt. Der Wein schmeckt hervorragend.«
    »Er ist aus Morvran. Ich freue mich, dass er Euch mundet. Ich könnte schwören, dass Metran ihn gebeten hat, fünf von euch zu holen.«
    Demnach hatte Loren unrecht gehabt. Es wusste doch jemand Bescheid. Irgendjemand wusste sogar genauestens Bescheid.
    »Wer ist Metran?« fragte Jennifer listig. »War das der alte Mann, den Ihr gestern so erschreckt habt?«
    Im Bewusstsein, dass ihr Vorhaben vereitelt war, lehnte auch Jaelle sich in ihre Kissen zurück. Es herrschte Schweigen, während Jennifer an ihrem Wein nippte und sich freute, dass dabei ihre Hand ganz ruhig war.
    »Ihr vertraut ihm, wie?« vermutete die Priesterin erbittert. »Er hat Euch vor mir gewarnt. Alle haben sie Euch gewarnt. Silbermantel beteiligt sich hier ebenso wie alle anderen an den Machtkämpfen, aber ihr habt Euch mit den Männern verbündet, wie es scheint. Sagt mir, wer von ihnen ist Euer Liebhaber, oder hat Diarmuid bereits den Weg in Euer Bett gefunden?«
    Jetzt war das Maß voll. Jennifer sprang auf. Ihr Weinglas kippte um; sie achtete nicht darauf. »Ist dies die Art, wie Ihr einen Gast behandelt?« brach es aus ihr hervor. »Ich bin in gutem Glauben hierhergekommen welches Recht

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