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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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noch ein Tag, ein letzter.
     
    Und so verlief die zweite Nacht von Pwyll dem Fremden am Sommerbaum.

 
Kapitel 9
     
    Am Morgen ereignete sich etwas noch nie Dagewesenes: Ein heißer trockener Wind wehte bitter und beunruhigend von Norden her durch Paras Derval.
    Niemand konnte sich erinnern, je einen heißen Nordwind erlebt zu haben. Er trug den Staub knochentrockener Felder und Äcker mit sich, so dass sich an jenem Tag die Luft am helllichten Mittag verdüsterte und die hochstehende Sonne unheilvoll orangefarben durch den alles trübenden Dunst leuchtete.
    Der Donner setzte sich fort, klang beinahe spöttisch. Wolken gab es nicht.
    »Bei allem Respekt und ähnlich gearteten Gefühlsduseleien«, sagte Diarmuid in überheblichem, ärgerlichem Tonfall vom Fenster her, »wir vergeuden kostbare Zeit.« Er sah zerzaust aus, und gefährlich; außerdem war er, bemerkte Kevin bestürzt, ein wenig angetrunken.
    An seinem Platz am Kopfende des Ratstisches zog Ailell es vor, seinen Erben zu ignorieren. Kevin, der immer noch nicht genau wusste, warum er hierzu geladen worden war, entdeckte zwei leuchtendrote Flecken auf den Wangen des alten Königs. Ailell bot einen schrecklichen Anblick; er schien über Nacht eingeschrumpft zu sein.
    Zwei weitere Männer betraten den Saal: ein hochgewachsener, gewitzt aussehender Mann und neben ihm ein behäbiger, liebenswerter Bursche. Der andere Magier, erriet Kevin: Teyrnon mit Barak, seiner Quelle. Gorlaes, der Kanzler, übernahm die Vorstellung, und es stellte sich heraus, dass Kevin recht gehabt hatte, bis auf die Tatsache, dass der harmlos wirkende, beleibte Mann der Magier war und nicht umgekehrt.
    Loren war nach wie vor abwesend, aber Matt befand sich im Saal, genau wie eine Reihe anderer Würdenträger. Kevin erkannte Mabon, den Herzog von Rhoden, Ailells Vetter, und hinter ihm Niavin aus Seresh. Der rotwangige Mann mit dem grauweißen Bart war Ceredur, der, nach der Verbannung von Diarmuids Bruder, zum Hüter der Nordfeste ernannt worden war. Er hatte sie gestern beim Festmahl gesehen. Jetzt hatte sich der Ausdruck in ihren Gesichtern verändert.
    Sie warteten auf Jaelle, und während die Zeit verrann, begann auch Kevin vor Sorge ungeduldig zu werden.
    »Hoheit«, richtete er unvermittelt das Wort an den König, »solange wir noch warten – wer ist Galadan? Ich komme mir so völlig unwissend vor.«
    Es war Gorlaes, der ihm antwortete. Ailell hüllte sich in Schweigen, und Diarmuid schmollte weiterhin drüben am Fenster. »Er ist ein Werkzeug der Finsternis aus uralter Zeit. Eine ungeheure Macht, auch wenn er nicht immer im Dienste der Finsternis gestanden hat«, klärte ihn der Kanzler auf. »Er ist einer der Andain – Kind einer sterblichen Frau und eines Gottes. In der Vorzeit hat es nicht wenige solcher Vereinigungen gegeben. Die Andain sind eine schwierige Gattung, die sich in keiner Welt ohne Schwierigkeiten bewegt. Galadan wurde zu ihrem Fürsten, er ist der bei weitem mächtigste unter ihnen, und man sagt von ihm, er habe in ganz Fionavar den schärfsten Verstand. Dann hat ihn irgendetwas verändert.«
    »Das ist wohl eine leichte Übertreibung«, murmelte Teyrnon.
    »Möglich«, gab Gorlaes zu. »Jedenfalls geschah es, dass er in Liebe entbrannte zu Lisen vom Walde. Und als sie ihn zurückwies und statt dessen den Bund mit einem Sterblichen einging, mit Amairgen Weißast, dem ersten der Magier, schwor Galadan Rache, wie sie so endgültig noch nie zuvor geschworen worden war.« Ehrfurcht trat in die Stimme des Kanzlers. »Galadan hat geschworen, die Welt, die seine Erniedrigung mitangesehen habe, solle aufhören zu existieren.«
    Es folgte längeres Schweigen. Kevin fiel nichts ein, was er hätte sagen können. Absolut gar nichts.
    Teyrnon nahm den Faden der Erzählung auf. »Zur Zeit des Bael Rangat war er erster Stellvertreter Rakoths und der entsetzlichste seiner Diener. Er besaß die Gabe, die Gestalt eines Wolfs anzunehmen, und in dieser Eigenschaft war er ihnen allen übergeordnet. Seine Absichten waren jedoch grundverschieden von denen seines Gebieters, denn während der Entwirker aus reiner Lust an Macht und Überlegenheit die Herrschaft anstrebte, wollte Galadan alles unterwerfen, um es gänzlich zu zerstören.«
    »Es ist zwischen ihnen zum Kampf gekommen?« mutmaßte Kevin.
    Teyrnon schüttelte den Kopf. »Es war unmöglich, von Rakoth abzufallen. Galadan verfügt über ungeheure Kräfte, und wenn er die Svart Alfar mit seinen Wölfen vereinigt hat, um uns zu

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