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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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darauf wären, daß ein Mann sie schlägt, fesselt, vergewaltigt. Er sagte, daß zwischen meinen Beinen eine Mistgrube sei, eine Kloake, das Tor aller Sünden. Er sagte, er wolle mich totvögeln. Und er sagte auch…«
    Seine Finger, auf meinem Mund. Sein Gesicht sehr ruhig, die Stimme aber kehlig, fast heiser. Eine ganz neue Stimme.
    »Still, Liebes! Es ist unwichtig.«
    Mein Atem ging fliegend. Ich hatte mir verboten, an diese Dinge zu denken.
    Jetzt tauchten sie aus der Erinnerung empor. Aus dieser schmutzigen Masse, die nicht geschaut, nicht berührt werden durfte. Ein Geruch stieg empor. Der Geruch nach Urin und schmutziger Wäsche, von abgestandenem Wasser, verfaultem Essen, von Schweiß und Angst und warmem Blut und Erbrochenem. Und jetzt würde er sich vor mir ekeln.
    Doch er senkte nur den Kopf, küßte mich und sah mir dann ernst und ruhig in die Augen.
    »Und weiter?«
    Ich wandte das Gesicht von ihm ab.
    »Ich… ich habe mich gewehrt.«
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    »Wie?«
    Ich drückte die Stirn an seine Brust, atmete den Geruch seiner Haut ein, wühlte meinen stöhnenden Mund hin und her.
    »Es war so schrecklich! Ich wäre nicht mitgegangen, wenn ich gewußt hätte, daß es so schlimm sein würde. Es war wie damals! Ganz genau wie damals. Um Himmels willen, nein! Nicht noch einmal. Nie wieder! Er schlägt mich und beschimpft mich und will mich durchbohren. Der gleiche Geruch, der gleiche Haß!
    Und all diese gräßlichen Spiegel. An den Wänden, an der Decke. Wohin ich auch schaue, überall sehe ich mich selbst und was er mit mir macht, von vorne, von hinten, von der Seite… ich sehe, wie er mich zerstückelt und zertrümmert und zerstört… ich schreie, es wird immer schlimmer, ich verliere die Kontrolle, na schön, ich werde es ihm zeigen. Ich kann es nicht mehr aufhalten, ich muß es tun…
    Alle Spiegel zerbrechen. Das ganze Zimmer ist voller Splitter und Scherben. Das Bett auch. Und das Video hat alles aufgenommen.«
    Stop. Sag nichts mehr! Es ist ein Tor, daß du nicht öffnen darfst. Kratze deine Handflächen blutig, aber schweig. Sonst kommt der Teufel und holt dich. Dinge bewegen sich im Zimmer wie flatternde schwarze Schwingen. Ich habe so wahnsinnige Angst. Bitte, Ken, tu irgend etwas! Kannst du nicht irgend etwas tun?
    Ich fühlte, wie er mit der Fingerspitze meinen Hals berührte.
    »Diese Wunde… ein Glassplitter, nicht wahr?«
    Ich nickte. Er streichelte die kleine Narbe.
    »Du hast so plötzlich aufgehört. Du sagtest…«
    Seine Stimme klang so gleichmütig, daß ich in die Falle ging.
    »Dann habe ich die Kassette herausgenommen. Und dann schnell weg, halbnackt, ohne Schuhe. Auf der Treppe bin ich der Frau begegnet. Sie hatte den Lärm gehört. Aber sie hat mich gehen lassen. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht hatte sie Angst…«
    »Und er?«
    »Lag oben. Bewußtlos, nehme ich an. Hast du gesehen? Er hat eine Schnittwunde über dem Auge. Er sagte, er hätte erblinden können…«
    »Hat er dich deswegen bedroht?«
    Ich fuhr mit der Zunge über meine fiebrigen Lippen.
    »Er wollte die Kassette zurückhaben.«
    Er nickte.
    »Ich verstehe. Und wo ist sie jetzt?«
    »Bei mir. Kein Mensch darf sie sehen! Auch du nicht!«
    Er legte mich behutsam zurück. Streckte den Arm aus, schraubte die Thermosflasche auf und goß Tee in den Becher.
    »Trink!«
    Ich stützte mich auf die Hände, stemmte mich hoch. Er hielt den Becher an meine Lippen. Ich trank Schluck für Schluck, ohne ihn anzusehen.
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    »Besser?«
    Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich sah, daß ich halb nackt war. Er sah es auch und zog die Yukata über meine Schultern. Ich fiel auf die Matratze zurück.
    »Mir dreht sich alles! «
    Mit geschlossenen Augen hörte ich, wie er die Thermosflasche zuschraubte. Er legte sich wieder zu mir und nahm mich in die Arme. Ich klammerte mich wild an ihn.
    »Faß mich nicht an! Doch, faß mich an. Halt mich fest. Oh, Himmel! Was soll aus mir werden?«
    Er streichelte mich sanft. Ich hörte sein Herz schlagen, spürte seine Atemzüge unter meiner glühenden Wange. So war es gut. Ich beruhigte mich.
    »Ich habe dir gesagt, daß ich dich liebe.« Kens leise Stimme vibrierte in mir wie das Echo meiner eigenen Herztöne. »Es wäre schlimm, wenn Liebe nur ein Wort wäre. Sie ist, wie ein Schmetterling, der mit verletzten Flügeln bereit ist, zu fallen, und doch nicht müde wird, wieder und wieder aufzuflattern. Solange ich dich liebe, darfst du niemals Angst haben.«
    Ich preßte mein Gesicht noch enger an ihn,

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