Silbermuschel
Akikosan mir vorsetzte… Und ein paar Schritte im Garten gemacht.
Und dich zweimal auf die Toilette gebracht.«
»Oh!«
Ich zuckte zusammen. Er lachte, während meine Ohren heiß wurden.
»Jetzt entspann dich mal. Japaner gehen mit diesen Dingen nicht zimperlich um.«
Er strich mein Haar zurück und küßte mich auf die Stirn.
»Du hattest ein wenig Fieber. Jetzt geht es dir wieder gut. Zeig mal deine Hände! Tut es noch weh?«
Er besah sich meine Handflächen. Auf den Wunden hatten sich bereits dünne Krusten gebildet. Er nickte zufrieden.
»Alles gut! «
265
Ich hörte seinen Herzschlag und meinen Atem. Alles war so neu, doch er schien mich zu kennen, seit langem. Ich lag in seinen Armen, als wären sie für mich gemacht, als hätte ich endlich gefunden, wonach ich mich sehnte, ein zärtlich gehütetes Wunschbild der Liebe. Die Zeit stand still; Unruhe und Schmerzen verschwanden aus meinem Leben, wie Regentropfen in einem Fluß. Ich fühlte nichts anderes mehr als eine süße, helle Seligkeit und etwas, das ich nie vorher gekannt hatte, nicht einmal im Traum.
Ich rieb mein Gesicht an seiner Brust, blickte seitwärts zu ihm empor, scheu wie ein Kind.
»Willst du mich noch?« flüsterte ich.
Er rückte leicht von mir ab, hob behutsam mit den Fingern mein Kinn, so daß ich gezwungen war, ihn ganz anzusehen.
»Heiratest du mich jetzt endlich?«
Ich nickte ganz langsam, die Augen auf sein Gesicht gerichtet. Er kniff verschmitzt die Lider zusammen.
»Ein Glück«, sagte er, »sonst müßte ich dir nachrennen wie ein Idiot, auf die andere Seite der Erdkugel.«
Ich hob beide Arme, schlang sie um seinen Hals. Er riß mich an sich, unsere Lippen begegneten sich. Wir fielen auf die Matratze zurück, er lag auf mir, bedeckte mich mit seinem ganzen Körper, ohne mir im geringsten weh zu tun; ich spürte nur seine Wärme und sein Gesicht, an das meine gepreßt. Wir küßten uns, atemlos und bebend, und lagen dann, eng umschlungen, eine ganze Weile lang da.
»Sag etwas…«, brach er endlich das Schweigen.
Ich schluckte befangen.
»Das… was ich erzählt habe… Wie hast du das nur ertragen?«
Er verzog die Lippen zu einer kleinen Grimasse, halb Zärtlichkeit, halb Spott.
»Das war doch das mindeste, was ich tun konnte. Sonst lohnte es sich ja nicht, deine Zeit mit mir zu vergeuden.«
»Eigentlich wollte ich nie davon reden. Aber du hast mich dazu gezwungen.«
Ich sagte es, während ich die Augen schloß. Er ließ seinen Mund über meine Stirn wandern, über Augenlider und Nasenflügel.
»Nein. Nicht ich, du selbst. Alles steckte in dir drin, schon jahrelang. Das ganze Zeug hatte sich in deinem Unterbewußtsein angesammelt wie ein Klumpen. Haß und Angst saßen in dir, in jeder Zelle. Deine Schlafsucht war ein Versuch, auszusteigen, dein Körper koppelte sich von deinen Gefühlen ab. Jetzt bist du den ganzen Ballast los.«
»Vielleicht habe ich zuviel gesagt. Ich bin nicht ganz normal, weißt du…«
»Was heißt schon normal?« hörte ich ihn sagen. »Du brauchst dich nicht zu schämen, im Gegenteil. Aus den Wunden, die dir zugefügt wurden, hast du eine ganz ungewöhnliche Energie gewonnen. Eine Energie, die nur wenige Menschen in den Griff bekommen. Sei ruhig, Liebes. Du wirst schon sehen, für all diese 266
Dinge gibt es eine ganz vernünftige Erklärung.«
Ich richtete mich in jähem Glücksgefühl auf.
»Du hast mich gerettet.«
Er wendete sich herum, so daß ich auf ihm zu liegen kam, und ließ seine Finger durch mein Haar gleiten.
»Ich weiß nicht, ob ich dich gerettet habe, aber mir scheint, daß du dich jetzt wohler fühlst.«
Ich betrachtete ihn mit einer Art von Staunen. Ich suchte in seinen Armen den Tod; er hatte mir das Leben geschenkt, ein Leben, aus dem es kein Zurück mehr gab. Und nicht nur dies, da war noch mehr. Durch wogende Erinnerungen tauchte ein Name auf. Ich sprach ihn leise aus.
»Isami!«
Selbst der Gedanke an sie ließ mein Herz schneller schlagen. Damals, in den Zeiten des Schreckens, hatte ich sie in allen Dingen gefunden, ein wunderbares Spiel der Kraft. Sie war die Fee meiner Kindheit gewesen, heimlich in den Ästen und Zweigen flüsternd; ein schützender Geist, ein Schild gegen alle Gespenster, gegen Grausamkeit und Gewalt. Sie war ein zuckender Stern, der Klang meines eigenen Herzens. Ich hatte oft gedacht, daß ich sie nur erfunden hatte, um mich zu trösten. Aber sie hatte mich niemals verlassen und war bei mir geblieben, bis zum
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