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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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und klar!«
    »Doch nur, weil du da bist«, sagte Ken.
    Er ließ sich auf die Matte zurückfallen und zog mich an seine Brust. Ich fühlte, wie er tief und gleichmäßig atmete.
    »Am 1. Januar 1946 wandte sich Kaiser Hirohito in einer Rundfunkübertragung an die japanische Nation. Er bediente sich dabei der schlichten, vertraulichen Sprechweise, die nach uraltem Brauch die japanischen Kaiser kennzeichnet:
    ›Die Bande zwischen mir und dir, mein Volk, gründeten stets auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Sie gingen weder aus einem Mythos noch einer Legende hervor. Die Vorstellung jedoch, die aus dem Kaiser einen lebenden Gott werden ließ, um die japanische Überlegenheit anderen Völkern gegenüber zu rechtfertigen, wie auch seine Bestimmung, die Welt zu beherrschen, erwiesen sich als trügerisch‹. Die Menschen hörten seine Stimme und weinten. Doch diese Worte mußten gesagt werden, und es war erforderlich, daß der lebende Gott symbolisch starb. Seine Generäle saßen auf der Anklagebank. Das japanische Volk war besiegt worden. Es hatte gekämpft, geschwiegen, gelitten. Es hatte sich auf den Krieg vorbereitet, in der Meinung, es sei seine Pflicht. Und die Männer, welche seine Geschicke leiteten, hatten diesen Glauben mißbraucht.«
    Kens Lippen hoben sich leicht in den Mundwinkeln, zeigten ein trauriges Lächeln. Um uns herum war keine Finsternis mehr, nur noch die Klarheit der Sterne. Durch die Fenstertür sahen wir den Himmel, glatt wie ein Silbertuch, von Sternen überschimmert. Im Wasser stiegen wieder Luftblasen auf. Die Karpfen drehten ihre Runden.
    Wir tauschten ein kurzes, etwas schmerzliches Lächeln. Er stand auf, reckte sich. Sein Herz hatte wieder Frieden gefunden, die braunen Augen leuchteten ruhig wie zuvor. Er ging zur Tür, atmete tief die würzige Nachtluft ein. Alle Schatten im Garten waren friedlich; ein einsames Glühwürmchen funkelte unter einem Busch.
    Lautlos trat ich neben ihn. Er wandte leicht den Kopf und legte den Arm um mich.
    Eine Zeitlang blickten wir schweigend nach draußen. Plötzlich löste er sich aus seiner Versunkenheit, sah mich an und sagte verwundert: »Aber du frierst ja.«
    Ich schüttelte leicht den Kopf.
    »Das macht nichts.«
    Er nahm seine Jacke, legte sie mir um die Schultern.
    Ich fühlte die Wärme und Stärke seines Lebens, jenes Lebens, das ein Wunder bewahrt und beschützt hatte, einst in der Hölle von Hiroshima. Ich atmete den vertrauten Duft seiner Haut ein, hob die Hände wie ein schläfriges Kind, um ihn zu umarmen. Sein Atem strich über meine Wange, ich fühlte seine Wimpern an meine Haut schlagen und hörte, wie er leise auflachte.
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    »Das Schlimmste haben wir überstanden«, sagte er. »Aber meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie fängt ja erst an.«
    »Möchtest du davon reden?«
    »Ja, warum nicht?«
    »Jetzt?«
    Er hob mich in seine Arme. »Nein, nicht jetzt.«
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23. KAPITEL
    D er Morgenhimmel war vollkommen blau; die Sonne leuchtete wie ein weißes Feuer. An den Bergkuppen hingen noch Nebelschleier, aber der kleine Garten, strahlend vor Tau, glitzerte im blendenden Grün. Die Schatten der vergangenen Nacht hatten ihre ursprüngliche Form von Zierbüschen, Azaleensträuchern und Schwertlilien zurückgewonnen. Einige Trittsteine rührten zu dem Teich, in dem die Zierkarpfen schwammen. Die Vielfalt ihrer Farben war unglaublich: von Purpur bis zu Zitronengelb, über alle Schattierungen von Rosa. Am Steinrand kauernd, klatschte Ken zweimal in die Hände. Sofort schwammen die Karpfen von allen Seiten auf uns zu. Ken lachte mich an und zerkrümelte ein Brotstück.
    »Sie hören die Schallwellen!«
    Die Karpfen hoben ihre flachen Köpfe aus dem Wasser. Das Innere ihrer offenen Mäuler war weiß wie Perlmutt.
    »Sie sind ganz zahm«, sagte Ken. »Du kannst sie ruhig anfassen.«
    Ich streckte die Hand aus, berührte ihre kühle, glatte Haut, bevor sie geschmeidig wieder unter die Wasseroberfläche tauchten. Alle schlugen mit Flossen und Schwänzen, schnappten nach den Brotkrümeln, die wir ihnen zuwarfen. Nach einer Weile gingen wir auf die Veranda zurück, wo wir die Tabletts mit dem Frühstück gelassen hatten. Wir setzten uns in die Sonne. Ken schraubte die Thermosflasche auf.
    »Noch etwas Kaffee?«
    Ich hielt ihm lächelnd die Tasse hin. Vögel zwitscherten in den Büschen, eine Eidechse sonnte sich auf einem Stein. Ich seufzte glücklich auf.
    »Wie friedlich hier alles ist!«
    »Der Garten hat Stil.« Ken setzte die Tasse auf sein

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