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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Namen. Eine Schenkungsurkunde. So kommst du um die Erbschaftssteuer herum. Die Honorare aus meinen Büchern sind für Norio. Mit den Bildern kannst du machen, was du willst‹.
    Ein fürchterliches Gefühl, nicht mehr die erste konvulsive Panik, sondern ein tiefer, pochender Schmerz, ließ mich alles nur verschwommen empfinden. Mein Geist konnte das alles nicht aufnehmen. Ich rieb mir mit Daumen und Zeigefinger die Stirn.
    ›Können wir nicht ein andermal darüber reden?‹
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    ›Die Dinge müssen geregelt werden.‹
    ›Es eilt doch nicht.‹
    ›Jetzt habe ich noch einen klaren Kopf‹, sagte sie, ›sobald sie mir Spritzen geben, bin ich womöglich benommen. Die Medikamente wirken nicht mehr.‹
    Ich trank einen zweiten Schluck. Im Augenblick war das alles zu viel für mich.
    ›Trotzdem, ich kann es einfach nicht glauben!‹ stieß ich hervor.
    Sie neigte ruhig den Kopf.
    ›Überwindung gehört schon dazu. Du mußt wissen, daß ich nicht so – nicht so überrascht war wie du. Ich dachte immer, es würde morgen oder am übernächsten Tag oder nach einem Jahr mal geschehen. Der Unterschied liegt nur darin, daß es nun eingetreten ist. Und jetzt – Schluß damit. Die Sache läßt sich nicht ändern.‹
    ›Gomennasai.‹
    ›Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.‹
    Sie saß vollkommen ruhig da. Ich hörte nur, wie sie atmete. Endlich sah ich wieder zu ihr hoch. Ich sagte:
    ›O-Neesan, ich werde dich nicht allein lassen. Ich werde jeden Tag bei dir sein.
    Und auch jede Nacht, wenn du es wünschst.‹
    Unsere Augen begegneten sich. An ihrem Hals, oberhalb der Bluse, klopfte stürmisch eine Ader. Das Licht schien ihr voll ins Gesicht, und ich sah, daß die letzte Blüte ihrer Anmut verwelkt war. Ihre Lippen schimmerten fast bläulich. Nur die Eleganz ihrer Haltung war unversehrt, und ihre Hände blieben fest im Schoß verschränkt. Bei meinen letzten Worten machte sie eine Bewegung, so leicht, daß es kaum ein Schauer war.
    ›Es ist mein Schicksal‹, sagte sie leise, ›und es wird nicht lange dauern.‹
    ›Ich werde da sein.‹
    Ihr Schauer ging vorüber. Sie betrachtete mich nachdenklich. Schließlich teilte ein Seufzer ihre Lippen.
    ›Ist es wirklich das, was du willst?‹
    Ich trank mein Glas aus. Und dann legte ich beide Arme auf den Tisch, verbarg mein Gesicht und weinte. Nach einer Weile spürte ich einen Luftzug, eine Bewegung. Ein Schatten beugte sich über mich. Ich roch Isamis zarten Maiglöckchenduft. Sie legte ihre Hand auf meinen Kopf, ein ganz leichtes, zärtliches Kraulen. Ich fühlte das Beben, das meinen ganzen Körper verkrampfte, hörte meinen Herzschlag und ihre stockenden Atemzüge. Es bedurfte zwischen uns nie der Worte, damit wir uns verstanden. So blieben wir schweigend, bis wir uns beide beruhigt hatten. Erst dann hob ich mein Gesicht, sagte ihr, daß es mir leid tue, daß es das letzte Mal wäre, daß sie mich weinen sehe. Und daß ich sie nicht verlassen würde, bis zum Schluß. Sie bedankte sich sehr ruhig, fast förmlich. Ihr Gesicht war so fahl wie ein dämmernder Winterhimmel, doch auf ihren trockenen Lippen kam und ging das Lächeln von früher. Sie sagte, es mißfalle ihr, daß sie mir Probleme mache. Aber ich solle kommen, es würde ihr guttun. Denn auch sie 407
    brauche diesen Trost, daß jemand da wäre, der sich um sie kümmere, ohne daß sie sich vor ihm ihrer Schwäche zu schämen brauche.
    Ich ging also täglich in die Klinik. Ich hatte veranlaßt, daß Isami in ein Einzelzimmer kam. Am Anfang ging es ihr gut; der Arzt gab ihr Spritzen, die zu wirken schienen. Ich machte keine Überstunden mehr, ging nach Arbeitsschluß auch nicht mehr mit Kollegen aus. Ich war begierig, zu ihr zu kommen. Ich hatte Angst, unsere verbleibende Zeit zu beschneiden. Wir verbrachten lange Stunden damit, über verschiedene Dinge zu sprechen – Dinge der Vergangenheit und auch der Zukunft. Immer wieder staunte ich darüber, wie gut sie mich kannte, wie sie über meine Gedanken und Gefühle Bescheid wußte. Ich merkte, daß sie immer dagewesen war, im Verborgenen, daß sie mich stets geleitet hatte mit zarter, wissender Hand. Es gab tatsächlich Zeiten, in denen ich vergessen konnte, daß sie bald nicht mehr dasein würde. Augenblicke, wo wir zusammen lachten, wo ich ihr amüsanten Klatsch aus der Firma erzählte, ihr Bücher und Zeitschriften brachte.
    Für Süßigkeiten hatte sie nichts übrig. Als ich merkte, daß sie der Tabakgeruch störte, gab ich das Rauchen auf. Es folgten ein

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