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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wasser mit dem Himmel zusammenschmolz, leuchtete dunkelrot die Sonne; sie schien auf einer Säule zu ruhen, die aus den Tiefen des Sees emporwuchs.
    »Nach Japan?« Pauls Stimme klang ebenso vorwurfsvoll wie überrascht. »Du hast mir nichts davon gesagt!«
    »Franca fährt nächste Woche. Ich hatte nicht viel Zeit, zu überlegen. Und du, wann gehst du?«
    »Ich muß noch warten. Ich habe drei Monate Kündigungsfrist.«
    »Viel Glück«, sagte ich. »Hoffentlich wirst du von Stürmen verschont.«
    »Den Sarkasmus kannst du dir sparen«, erwiderte er gereizt.
    Ich streifte ihn mit einem verwunderten Blick. Ich hatte es durchaus wörtlich gemeint.
    Wir schwiegen beide. Nach einer Weile sagte Paul:
    »Habe ich dich auf irgendeine Weise verstimmt?«
    Ich dachte nach, überlegte. Schließlich sagte ich:
    »Ich glaube nicht, daß wir uns liebten. Wir haben nur ein bißchen Theater gespielt.«
    Er biß sich auf die Lippen.
    »Es tut mir leid, es ist meine Schuld. Ich kann verstehen, daß du mir böse bist…«
    »Ich glaube, wir sind sehr verschieden, Paul«, sagte ich leise.
    Unsere Blicke trafen sich; mir war, wie früher so oft, als ob wir dasselbe dachten. Aber es stimmte überhaupt nicht. In Wirklichkeit hatten wir nur wenig voneinander gewußt.
    Er lachte kurz und hart auf.
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    »Also gut. Wenn es das ist, was du empfindest.«
    Ich wandte den Kopf ab.
    »Ich muß jetzt gehen.«
    Er hielt mich nicht zurück, sagte auch kein Wort, doch um seinen Mund hatte sich eine scharfe Falte gebildet. Ich ging zu meinem Wagen, setzte mich hinein, drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang an. Ich sah Paul immer noch an der gleichen Stelle stehen, mit seinen ewigen Jeans und seiner Lederjacke, an der ein Knopf fehlte. Er hob die Hand, als ich an ihm vorbeifuhr. Ich streifte ihn mit einem kurzen Blick. Er gehörte bereits der Vergangenheit an.
    Am nächsten Morgen, gegen acht, schellte es laut, gebieterisch und zweimal.
    Ich wußte sofort, wer hinter der Tür stand. Ich saß im Bademantel mit nassem Haar beim Kaffee. Barfuß ging ich in die Diele und schloß auf.
    »Kann ich hereinkommen?« fragte Bruno.
    Ich möchte wissen, was geschehen würde, wenn ich jetzt sagte: Nein, du kannst nicht – dachte ich und ließ ihn vorbei. Im dunkelblauen Anzug und weißen Hemd nahm er mit zurückgeworfenen Schultern und zielstrebigen Schritten den Raum in Besitz. Er reckte sich breit vor meiner Nase, dehnte die Arme, und schlagartig wurde das Zimmer zu klein.
    »Setz dich doch«, sagte ich. »Möchtest du einen Kaffee?«
    »Wenn es dir keine Mühe macht«, erwiderte er mit sarkastischem Unterton. Er ließ sich in den schwarzen Ledersessel fallen, in dem er früher die Zeitung zu lesen pflegte, und schlug die Beine übereinander. Ich holte eine Tasse aus dem Schrank.
    Bruno trank seinen Kaffee schwarz und mit viel Zucker. Ich füllte die Tasse, gab drei Löffel Zucker hinzu und stellte sie vor ihm auf den Glastisch. Inzwischen, wie bei einem Schauspieler auf der Bühne, verwandelte sich Brunos Ausdruck. Die väterlichen Stirnfalten, die geschürzten Lippen, die tiefgerunzelten Brauen sollten Mitgefühl ausdrücken.
    »Julie, mein armes Häschen! Wie siehst du nur aus? Diese blauen Ringe unter den Augen! Ich glaube sogar, du hast abgenommen. Du arbeitest zuviel. Du kannst dir doch leisten, nichts zu tun.«
    »Nicht, wenn ich von dir loskommen will.«
    »Hahaha!« röhrte er. »Das bringst du doch nie fertig! Weißt du überhaupt, wieviel ich dir monatlich überweise?«
    »Ja. Ich habe gestern mein Guthaben abgehoben.«
    Seine Augen wurden starr. Es ging um sein Geld.
    »Hast du eine besondere Anschaffung vor?«
    »Ich fahre mit Franca nach Japan.«
    »Nach Japan? Mit Franca?«
    »Hast du etwas dagegen?«
    »Ich? Warum sollte ich etwas dagegen haben? Ich bin nur überrascht, das ist doch wohl mein gutes Recht. Ferien in der Toskana wären billiger. Aber du hast 46
    dich ja schon früher für Japan interessiert.«
    Bruno griff in seine Tasche. Es folgte der übliche Bewegungsablauf: Zigarette mit den Lippen aus der Schachtel ziehen, Feuerzeug anknipsen, Rauch inhalieren, Feuerzeug wegstecken, mit dem Arm über den Tisch langen und Aschenbecher zu sich heranziehen. Die gleichen Gesten, die gleiche Zigarettenmarke, der gleiche Geruch.
    »Du fährst also mit Franca. Na ja, vielleicht tut dir eine Reise wirklich gut.« Er zog bedeutungsschwer die Brauen hoch. »Du weißt ja, daß Paul gekündigt hat.«
    Jetzt geht es los, dachte ich. Er will seine

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