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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Bühnenplan geschickt. Sie haben nur acht Profilscheinwerfer. Und vier 300-W-Fluter.«
    »Das ist nicht genug«, sagte Ken.
    Hiro ließ einen verstimmten Brummton hören und redete weiter auf japanisch, wobei er seine abgehackte Sprechweise mit weichen, ausdrucksvollen Gebärden begleitete.
    »Entschuldige«, sagte Ken zu mir. »Hiro fällt es manchmal leichter, nicht Englisch sprechen zu müssen. Wir haben mal wieder ein technisches Problem. Ich muß die Sache kurz überprüfen. Hiro wird dir inzwischen die Gruppe vorstellen.«
    Er ging, und ich sah, wie er sich im Büro an den Schreibtisch setzte und die Unterlagen studierte, wobei er sich mit dem Stuhl hintenüber lehnte und einen Kugelschreiber zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her drehte.
    Inzwischen standen die Musiker herum, schwatzten zu zweit oder zu dritt. Sie bewegten die Hände mit graziösen Bewegungen, erzählten sich Geschichten wie Schulkinder, die sich nach einer schwierigen Unterrichtsstunde über die Pause freuen. Der Europäer hielt immer noch die Flöte in der Hand und unterhielt sich mit einem Mädchen, die englisch mit einem leichten Singsang sprach. Sie war ausgesprochen dünn, mit überlangen Beinen und beweglichen Armen. Ihr Haar war zu einem Knoten geschlungen, was sie älter machte. Sie hatte eines dieser großflächigen, ausgewogenen Gesichter, die erst mit Puder, Lippenstift und Wimperntusche ihre Schönheit zeigen. Jetzt war sie ungeschminkt. Beide 449
    schwiegen – wie die ganze Schar –, als Hiro laut ein paar Worte sagte. Alle wandten sich mir zu, das Gesicht sehr aufmerksam, und nickten noch heftiger als zuvor. Das Gelächter ließ nach, verebbte zu leisem Kichern. Ein paar Jungen räusperten sich. Hiro gab ein Zeichen, worauf einer nach dem anderen seinen Namen sagte. Dabei deutete jeder mit lebhafter Gebärde auf sich oder tupfte sich mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze: »Tadashi, Yoshi, Toyoko, Keita, Nosomu…« Die Namen prägte ich mir mühelos ein. Es war ja schon immer so gewesen, daß ich alles im Kopf behielt. »Kenzo, Takeo, Shinzaku, Hiroshi…« Ich nickte und lächelte. »Nanami, Yukichi, Masao, Soon, Eric…«
    Der Europäer verbeugte sich wie alle anderen, sagte: »Bonjour!«, und das Mädchen neben ihm, das Soon hieß, lächelte flüchtig.
    »Wo kommst du her?« fragte ich ihn auf französisch.
    »Aus Belgien!«
    Eric trat einen Schritt zurück, als wolle er vermeiden, aufzufallen, während Soon still an ihrem Knoten nestelte.
    Die Musiker hatten sich wieder gesetzt oder lagen jetzt plaudernd auf dem Boden. Sie rekelten sich entspannt herum, das zerzauste Haar fiel ihnen über die glänzenden Augen. Ein Junge mit einem lustigen Mopsgesicht brachte mir grünen Tee. Ich bedankte mich und deutete auf ihn.
    »Takeosan?«
    »Hai – ja!« rief er, überglücklich, daß ich seinen Namen noch wußte. Ken und Hiro sprachen jetzt zusammen. Hiro hielt den Kopf gesenkt und wirkte ganz konzentriert. Ken spielte geistesabwesend mit seinem Haar, und ich wandte das Gesicht weg. Jedesmal, wenn ich ihn anblickte, wurde es mir in der Kehle eng.
    Still wanderte ich durch den Raum, hielt den Becher unter meinem Kinn fest und atmete den heißen Dampf ein. Die Wände, die Decke, der große glänzende Fußboden, zu samtigem Schimmer poliert: Alles strahlte Schlichtheit und geheimnisvolle Würde aus, die mich an einen Tempel oder an eine No-Bühne erinnerten. Die Trommeln auf ihren Böcken schimmerten matt im Licht. Eine Anzahl kleinerer Trommeln war mit Hanfseilen umflochten, so daß man sie schultern konnte. Etwas abseits stand die Riesentrommel, die O-Daiko, die ich im Theater gesehen hatte. Ich hatte vergessen, wie groß sie war, stand vor ihr wie ein Kind vor einem Ungeheuer, doch ohne Furcht. Das karminrote Faß war nirgends abgesplittert; kleine Fünkchen spielten auf der spiegelblanken Lackschicht. Weder die gußeisernen Verzierungen noch die Nägel wiesen Spuren von Rost auf. Nur das schwarze Zeichen der Kaminari – der Windschraube – war durch das Schlagen auf das Trommelfell etwas verblaßt.
    »Sei gegrüßt…«, flüsterte ich.
    Wie einst in Tokio, hob ich die Hand, strich behutsam über die elastische Haut.
    Selbst jetzt, wo die Ô-Daiko ruhte, meinte ich unter meiner Handfläche einen kaum merkbaren Druck, ein stumpfes Vibrieren zu fühlen. Ehrfurchtsvoll trat ich einen 450
    Schritt zurück.
    Ich nippte an meinem Tee, ließ die Augen hierhin und dorthin wandern. Ich wollte mich nicht in ein allzu

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