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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Flüstern verwandelte. Nebel wogte über Moos und Farnkraut, an jedem Grashalm hingen Tropfen wie grüne Perlen. Durch die Zweige schimmerten die Gischtkronen der Wogen, mit den dunklen Regenwolken verschmolzen, und die Weite schien grenzenlos und wild. Manchmal blieben wir auf einem Hügelkamm stehen, betrachteten in den Tälern die terrassenförmigen Reisfelder, golden und hellgrün wie die Muster eines Frühlingskimonos. Wir kamen zu einsamen Bauernhäusern, nach alter Weise noch mit Reisstroh bedeckt und von kleinen Äckern umgeben. Oft wollten die Bauern, daß wir hereinkamen.
    Schiebetüren öffneten sich mit schleifendem Geräusch, unsere nackten Füße berührten Strohmatten, rotbraun und abgenutzt. Die Räume waren dunkel, vollgestopft mit alten, überdimensionierten Möbeln und jeder Menge Haushaltsgeräten. Die Bauern liebten schwere Standuhren, billige Jahrmarktspuppen in Rüschenkleidern; auf ihren Fernsehern lagen Spitzendeckchen mit Blumenvasen und Fotos in kitschigen Stehrahmen.
    Grellbunte Kalenderbilder und Öldrucke prangten an den Holzwänden. Aber in ihren Ziernischen hingen vergilbte Rollbilder mit einer schönen Kalligraphie oder wertvolle Holzschnitzereien, von Sonne und Feuchtigkeit verblichen. Die Bauern bewirteten uns mit Tee. Sie holten ihre besten Keramikschalen hervor: wundervolle Arbeiten in glutvollen Erdfarben, und der Tee schmeckte kräftig und herb, mit einem Aroma nach Holzfeuer. Die Inselbewohner waren ein derber Menschenschlag, unbefangen, laut und vorwitzig. Ich lachte und scherzte mit ihnen und binnen kurzem machte ich große Fortschritte in Japanisch. Die Worte, die ich dazulernte, riefen bei Ken jedoch nicht geringe Heiterkeit hervor. Prustend vor Vergnügen ließ er mich wissen, daß sich in Großstädten wie Tokio mein Inseldialekt entweder höchst skurril oder absolut versnobt anhören würde.
    Wenn die Sonne wieder emporstieg und die Klippen blaue Schatten warfen, wanderten wir die Bucht entlang. An manchen Stellen bildeten die Kalkfelsen Becken, in denen das Wasser in Myriaden von grünen und blauen Funken brodelte.
    Spritzende Gischt füllte die Felslöcher an, und feine Schauer von klargrünem Wasser drehten sich im Rhythmus der Wellen. Ich war keine gute Schwimmerin, doch ich folgte Ken, wenn er behende über die Steine sprang und mich bis an den 474
    Rand der Becken führte. Mit der anmutigen Natürlichkeit, die ihm eigen war, streifte er die Kleider ab, band sein Haar fest und glitt mit einem Sprung ins Wasser. Sein Körper teilte das sonnenblitzende Naß wie ein schlanker, goldener Pfeil. Während ich zögernd in den ruhigen Gewässern blieb, tauchte und drehte er sich in den Wellen, schwamm der offenen See entgegen, so weit hinaus, daß ich manchmal erschrak. Doch ich vertraute seiner Stärke, seiner Kenntnis der Gegend und der Wasserströmungen. Bald schwamm er wieder zurück, umschlang mich lachend im Wasser. Seine Zähne blitzten, er umfaßte mich, schwamm mit mir ans Ufer zurück. Dort lagen wir dann auf den glatten, warmen Steinen, ließen uns von der Sonne trocknen. Später schob er die Kleider unter meinen nackten Rücken; wir umarmten uns im Schatten der herabhängenden Felsen. Über uns drehte sich der Himmel wie das Meer in einem langsamen Strudel.
    Nachts gingen wir über den Strand, sahen die Sterne funkeln, die Lichter im Hafen schimmern. Auf der Mole stand ein großes rotes Licht, und in der äußersten Ecke der Bucht warf der Leuchtturm seinen weißglühenden Kegel über das Meer.
    Die See atmete friedlich, und von allen Seiten tönte das Zirpen der Zikaden. Wir wanderten Hand in Hand den Wellenrand entlang, blieben plötzlich stehen und küßten uns. Wir sagten uns leise die Worte der Liebe, die niemals töricht sind, weil sie stets neu erfunden werden. Unsere Schritte zeichneten sich schwarz im Sand ab, und dort, wo wir standen, unterbrach ein wirrer Kreis unsere gleichmäßige Spur.
    In Ryotsu gab es jede Menge Cafés, Bars und Restaurants, Galerien, Kinos und sogar ein Theater. Die Insel besaß eine ziemlich große Künstlerkolonie, eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, Japaner zumeist, aber auch Ausländer, viele Kalifornier, Holländer und einige Deutsche. Sie gaben sich locker, weltoffen, mehr oder weniger kreativ, manche begabt oder sogar berühmt, und andere, die sich dafür hielten. Sie trugen schrille Klamotten, lebten dürftig oder im Luxus. Einige waren zum Buddhismus übergetreten und teilten die Askese der Zen-Mönche.
    Unter

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