Silberne Sterne über Montana
das Gesicht des schlafenden Mannes in Licht und Schatten. Er lag flach auf dem Rücken, das blonde Haar aus der Stirn gestrichen, das Kinn im Schlaf herausfordernd gehoben.
Tana hatte es längst aufgegeben, dafür zu sorgen, dass er zugedeckt war. Sogar noch im Unterbewusstsein schien er ihre zärtliche Fürsorge abzulehnen. Aus Gründen, die sie lieber nicht weiter erforschen wollte, vermochte sie ihn nicht allein zu lassen, um selbst zur Ruhe zu kommen. Dabei war es wirklich nicht erforderlich, länger bei ihm Wache zu halten.
Nachdem sie fünf Stunden lang bei ihm am Bett ausgehalten hatte, war die Gefahr einer Gehirnerschütterung gebannt, und abgesehen von einem bös verstauchten Knöchel, hatte er bei dem Sturz nur Kratzer und Prellungen davongetragen. Und die vorübergehende Bewusstlosigkeit war offensichtlich nur Folge seines schmerzenden Knöchels gewesen.
Mit Hazels und Tanas Hilfe hatte er auf einem Fuß zum Ranchhaus, die Treppe hinauf und direkt zum Bett hinken können. Dann aber war er erschöpft eingeschlafen und hatte sich kaum gerührt, während sie ihn ausgezogen hatten.
"Wenn du wissen willst, ob ein Mann ein Cowboy ist, dann zieh ihn aus", bemerkte
Hazel, als sie ihm die
schmutzverschmierten Stiefel und Jeans abstreiften. "Sieh dir mal diese Beine an. Mehr Narben, als du dir vorstellen kannst, und wenn mich nicht alles täuscht, ist dieser Knöchel schon ein-bis zweimal gebrochen gewesen. Kein Wunder, wenn er jetzt verstaucht ist."
Tana untersuchte die Narbengeflechte an den beiden langen, muskulösen Beinen und sah die viel sagenden Spuren alter Wunden. Genau über dem rechten Knie war das Horn eines Bullen eingedrungen und das Schienbein darunter mit Narben übersät, Dokumente so manch eines Sturzes von wer weiß wie vielen Wildpferden. Hazel deutete auf eine gezackte kreisförmige weiße Narbe an seinem geschwollenen Knöchel.
Weitaus mehr aber interessierte Tana die Hautfarbe seiner Beine, des flachen Bauchs, der Arme und Brust. Und sogar noch dann, als sich in ihr angesichts seines bloßen Körpers etwas Primitives regte, bemerkte sie seine
verblassende
Sommerbräune. Wie kam ein Cowboy zu gebräunter Haut? Die Grundausstattung - angefangen bei den langärmligen Hemden bis hin zum Beinschutz aus Leder - war eigentlich darauf ausgerichtet, vor den dornigen Büschen auf einer Ranch zu schützen. Codys Hautfarbe aber ließ darauf schließen, dass er in der Badehose den Sommer über Vieh gehütet haben musste, und zwar in einer ganz knappen.
Hazel hatte entweder nichts bemerkt oder es für unwichtig gehalten, darüber ein Wort zu verlieren. Tana hatte deshalb geschwiegen, als sie den verletzten Knöchel säuberten und verbanden und die schlimmeren Schrammen mit einem antiseptischen Mittel behandelten.
Als sie jetzt aber seine gebräunten Wangen betrachtete, kam ihr das alles äußerst seltsam vor. Er drehte den Kopf leicht auf dem Kissen, so dass die klar umrissene Linie seines Kinns deutlich ins Licht gerückt wurde. Dort, wo der Kieferknochen im rechten Winkel zum Ohr führte, sah sie Codys Puls schlagen und unterdrückte den spontanen Wunsch, die Stelle zu berühren.
Sie faltete die Hände fest im Schoß und machte ein finsteres Gesicht, ärgerlich, weil es ihr so schwer fiel, diesem kindischen Verlangen zu widerstehen.
Er war doch auch nur einer von diesen Cowboys - arrogant und halsstarrig, stur wie alle anderen und auf Grund seines Stolzes zu einem immerwährenden hirnlosen Kampf verurteilt.
Genau der Typ Mann und die Lebensart, vor denen sie damals geflohen war. Zugegebenermaßen hatte sie sich von der total einnehmenden Männlichkeit solcher Männer angezogen gefühlt, aber sie war reif genug gewesen - so hatte sie es zumindest angenommen -, sich von solchen Empfindungen nicht leiten zu lassen. Warum sollte das ausgerechnet bei diesem Mann anders sein?
Gewiss, Zach war ebenso ansehnlich, und zwar auf eine unheimlich gefährliche Art, und sicherlich war er ebenso selbstsicher und befähigt, soweit es Angelegenheiten auf der Ranch betraf. Doch hätte Zach in diesem Bett gelegen, wäre sie dann jetzt hier?
Gebannt von diesem Bett, als hinge ihr ganzes Leben von jedem Atemzug des Mannes darin ab, von einem Mann, den sie kaum kannte. Irritiert über ihre Einfältigkeit, wollte sie augenblicklich aufstehen und auf ihr Zimmer gehen, um sich dort auszuruhen. Stattdessen zog sie ihren Stuhl noch näher ans Bett, verschränkte die Arme auf der Steppdecke und ließ den Kopf darauf
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