Silbernes Band (German Edition)
„Nein, dein Freund möchte lieber in der siebten Reihe sitzen. Dort gibt es zwei Plätze in der Mitte.“ Morten! Rúnas Kopf fuhr blitzartig in die Höhe. Durch die ruckartige Bewegung wurde etwas Popcorn aus dem Pappbecher geschleudert und landete auf dem Boden. „Setz dich schon mal in die siebte Reihe, dein Freund kommt gleich.“ Die Frau erhob sich anstandslos, musste sich an Morten und unzähligen Beinpaaren vorbeidrücken und ging tatsächlich schnurstracks weiter nach vorn, wo sie sich in die Mitte setzte. „Guten Abend.“ Morten nickte freundlich in Rúnas fassungsloses Gesicht und setzte sich direkt neben sie. „Was soll das?“ Sie schenkte ihm möglichst unauffällig einen genervten Blick, damit Björk nichts mitbekam, und formte lautlos ihre Frage. „Fionn“, war seine ebenfalls lautlose Antwort, was Rúnas Genervtheit noch steigerte und sie die Augen verdrehen liess.
Es kam erneut Unruhe in die gut belegte Sitzreihe. Ein junger Mann, beladen mit Popcorn und Limo, eine Tüte Lakritzdrops zwischen den Zähnen, pflügte sich umständlich an den Sitzenden vorbei, musterte dabei suchend deren Gesichter und blieb schliesslich ratlos bei dem hochgeklappten Sitz stehen, wo eben noch die junge Frau gesessen hatte. Er besah sich nochmals die Gesichter der Anwesenden, schüttelte ungläubig den Kopf und wurde dann von Mortens freundlichem Blick gefangen. „Deine Freundin hat sich in Reihe Sieben gesetzt, da sind zwei schöne Plätze in der Mitte“, erklärte er sanft. Der junge Mann nickte und stiess ein grunzendes Geräusch aus. Sprechen konnte er nicht, wegen der Lakritzdrops. Morten nickte noch einmal, dann drehte der junge Mann ab und trat genauso umständlich, begleitet von genervtem Raunen, den Rückzug durch die proppenvolle Sitzreihe an. Rúna war baff. „Sag mal, spinnst du?“, zischte sie lautlos in Mortens Richtung, aber er lächelte bloss arglos und setzte sich gemütlich zurecht.
Das schöne Lächeln war Björk nicht entgangen. „Sieh mal rüber, gleich neben dir“, wurde Rúna auf ihren hübschen Sitznachbarn aufmerksam gemacht. Obwohl Björk sie auffordernd in die Seite stupste, mochte sie keinen Blick riskieren, starrte lieber stur geradeaus, zur noch leeren Leinwand, und hoffte, die Vorstellung möge bald beginnen. Bevor es so weit war, musste sie trotzdem rübergucken, weil Morten nämlich ziemlich interessiert zu ihrer Freundin hinüberspähte. Wenn man ständig mit Unsterblichen zusammen war, kriegte man ein gutes Auge für die subtilen, kaum wahrnehmbaren Blicke und das winzige Anspannen der Nasenflügel, mit dem sie Düfte erschnupperten. Seine schamlose Neugier brachte ihm einen gezielten, möglichst unauffälligen Rippenstoss ein. Zum Glück ging das Licht aus und die Vorstellung begann.
„Lass uns noch auf einen Drink ins Sólon gehen”, schlug Rúna nach Ende des Films vor. Dahin folgte er ihnen bestimmt nicht, er würde vermutlich vorm Lokal warten. Das hatten Fionn und er bisher so gehandhabt, wenn sie und Heiðar ein Café oder Restaurant besuchten. Die beiden Freundinnen setzten sich an einen Zweiertisch ganz hinten und bestellten sich je eine Cola. „Den Hauptdarsteller fand ich ziemlich cool. Wie hiess der nochmal?“ – „Puh, irgendwas mit Ingi, ich hab den bisher noch nie gesehen. War wohl seine erste Hauptrolle.“ – „Hauptsache er sieht gut aus, da ist der Name doch Nebensache“, kicherte Rúna. „Und Þóra war wie immer erste Sahne. Eine echte Powerfrau!“ – „Seh ich auch so. Hat sich gelohnt, den Film anzusehen.“ – „Sieh mal, der süsse Typ aus dem Kino“, flüsterte Björk plötzlich aufgeregt und bedeutete ihr mit einem Nicken, sich unauffällig umzudrehen. Wozu Theater spielen? Rúna stand halb vom Stuhl auf und drehte sich um. „Geht’s noch auffälliger“, zischte Björk. Morten sass entspannt am Nebentisch, hob sein Glas und trank einen Schluck Cola. Schmeckte vermutlich scheusslich, wenn man Blut bevorzugte. Er blickte genauso demonstrativ zu ihnen rüber und grinste verschlagen. Für Rúna war der Frauenabend im Eimer. Es fiel ihr schwer, sich weiter auf das ungezwungene Gespräch zu konzentrieren. Sie war sauer auf Morten, der schamlos mit Björk flirtete, dabei an seiner Cola nippte und auf Mister Unwiderstehlich machte. Björk schien auch gewisse Konzentrationsschwierigkeiten zu haben, linste immer wieder unauffällig auffällig in seine Richtung und hatte schon ganz gerötete Wangen.
„Ich bin total erledigt“,
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