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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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gefangen in der Geschichte... Aber klar, ich bin schon weg!“ Jetzt noch ein strahlendes Lächeln hinterherschicken. Er klappte sein Buch zu, erhob sich mit einer fliessenden Bewegung vom Stuhl und griff nach seiner Fleecejacke. „Tschüss Rúna.“ Ein verschmitztes Augenzwinkern, als er in seine Jacke schlüpfte, so dicht wie möglich an ihr vorbeiging und dann ohne Umschweife dem Ausgang zustrebte. „Tschüss Heiðar“, erwiderte sie leise und blickte ihm nach, bis die Tür sich hinter ihm schloss und die Dunkelheit ihn verschluckte. Mit einem leisen Seufzer zog sie das Tablett mit der leeren Kaffeetasse zu sich heran und strich mit dem Daumen über die Stelle, an der seine Lippen das weisse Porzellan berührt hatten.

    Zehn Minuten später trat sie, beschwingt und kribbelig, als Letzte durch den Personaleingang, verschloss sorgfältig die Tür, drückte noch einmal die Klinke und wandte sich zum Gehen. „Guten Abend Rúna. Würdest du mich bitte begleiten?“ Erschreckt blickte sie auf und sah direkt in ein Paar saphirblaue Augen, die seltsam silbern schimmerten.

Abreibung

    Heiðar war sehr zufrieden mit sich und der Welt. Während er sich ein paar Spaghetti kochte, summte er leise sein derzeitiges Lieblingslied von Bassi Húnn. Heute war es ihm schon bedeutend leichter gefallen, in Rúnas Nähe zu sein. Er hatte nicht mehr ständig das Gefühl, gleich über sie herfallen zu müssen, obwohl der köstliche Duft ihres Blutes noch immer eine sehr starke Wirkung auf ihn ausübte. Offenbar war er fähig, sich daran zu gewöhnen, alles eine Frage der Selbstbeherrschung! Nachdem er gegessen hatte, brachte er gleich noch die Küche auf Hochglanz (mit ihm war definitiv etwas nicht in Ordnung) und setzte sich dann an seinen Schreibtisch um einen Geschichts-Test zum Thema „Reformation“ zu korrigieren. Seine Schüler durften sich freuen. Heute war er sehr gnädig, was die Bewertung anging, dementsprechend hoch war der Notendurchschnitt.

    Nach getaner Arbeit fläzte er sich aufs Sofa und zappte ein wenig durchs TV-Programm. Bei einer witzigen Vampir-Serie blieb er hängen. Mensch und Vampir tauschten munter ihr Blut. Vampirblut diente zur Heilung und zur Steigerung der Libido. Natürlich hatten sie ständig Sex. Heiðar amüsierte sich köstlich. Wenn es doch im wirklichen Leben auch so einfach wäre...

    Kurz nach Mitternacht beschloss er spontan, bei Fionn vorbeizuschauen. Er wollte ihm unbedingt vom heutigen Abend erzählen, obwohl gar nichts Spektakuläres passiert war. Weder wollte Rúna mit ihm ausgehen, noch hatte er sie geküsst. Daran wagte er gar nicht zu denken! Trotzdem war er glücklich und hatte den Eindruck, einen winzigen Schritt vorangekommen zu sein. Vielleicht konnte Fionn ihm einen Tipp geben, wie er weiter vorgehen sollte.

    Er wollte eben von der Austurstræti in die Posthússtræti einbiegen, als seinen Sinnen eine Art Stromstoss versetzt wurde: „Rúna! Und Fionn!“ Ohne nachzudenken rannte er um die Ecke. Vorm Eingang zum Hotel Borg stand ein Taxi. Die automatische Tür, die in die Lobby führte, öffnete sich. Ihr Herzschlag wurde lauter, ihr Duft intensiver, er hörte flinke Schritte und angestrengte Atemzüge, die an ein gehetztes Tier erinnerten. Fassungslos musste er zusehen, wie sie aus dem Gebäude floh und ins Taxi sprang, das in hohem Tempo davonbrauste.

    In seinem Innern kippte ein Schalter. Der freundliche, angepasste Lehrer wurde zur knurrenden Bestie. Es kümmerte ihn nicht, ob jemand dabei zusah, wie er in übermenschlichem Tempo durch die stille Strasse flitzte. Fionn trat aus dem Schatten des Gebäudes, um ihn in Empfang zu nehmen. Ein harmloses Lächeln im Gesicht, als wäre er sich keiner Schuld bewusst. „Du bist fällig!“, hörte Heiðar sich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpressen. Er stiess sich geschmeidig vom Boden ab und flog direkt auf ihn zu. Fionns Lächeln erstarb, dafür zog er die Oberlippe hoch und öffnete leicht den Mund, um seine beeindruckenden Eckzähne zu zeigen. Heiðar fletschte zurück und streckte schon mal die Arme aus, um ihn umzureissen. Genausogut hätte er in eine Wand springen können. Fionns Körper gab keinen Milimeter nach, Heiðar wurde von erstaunlich starken Händen gepackt und mühelos davon geschleudert. Er sah den Asphalt der Strasse unter sich, segelte über ein parkiertes Auto und schlug heftig auf dem Rasen des Austurvöllur auf.

    „Na warte!“ Blitzschnell sprang er wieder auf die Füsse und wandte sich um.

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