Silbernes Band (German Edition)
für einen Kaffee.“ Sie schenkte dem Blonden ein unwiderstehliches Lächeln, fasste selbstverständlich nach seiner Hand und zog ihn mit sich. „Kaffee klingt prima. Und dazu etwas Süsses.“ Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie liebevoll auf den Mund.
Heiðar hörte auf zu tippen und blickte ihnen fassungslos hinterher, wie sie Hand in Hand Richtung Innenstadt gingen und gleich darauf um die Ecke verschwanden. Er fühlte sich, als hätte man ihn erneut verprügelt. Das winzige Flämmchen Hoffnung war rücksichtslos erstickt worden, als der blonde Typ seine Lippen auf Rúnas süssen Mund presste. Als er klar machte, dass sie ihm gehörte. Wie hatte er bloss davon ausgehen können, dass sie noch zu haben war? Rúna war so wunderschön, ihr Lächeln brachte jeden Gletscher zum Schmelzen, und sie roch so köstlich! Die bittere Erkenntnis, dass er sie nicht haben konnte, traf ihn wie ein Keulenschlag.
Er musste weg hier, raus aufs Land, wollte so richtig aufs Gas drücken, dabei laut Musik hören. Den Tunnel bei Akranes mied er, weil er es hasste, unter Tage eingeschlossen zu sein, fuhr lieber den Umweg um den Hvalfjörður herum. In der Nähe von Borgarnes verliess er die Hauptstrasse, raste mit röhrendem Motor über rutschige Schotterpisten und liess den Wagen durch die Kurven schlittern. Er wollte jagen. Im Herbst und Winter war das gar nicht so einfach, weil keine Herden im menschenleeren Hochland grasten. Schafe und Pferde wurden näher am Haus gehalten, und viele Tiere verbrachten die kalte Jahreszeit in den Ställen.
Glück gehabt. In der Ferne entdeckte er eine kleine Pferdeherde. Es gab weitherum kein Haus, Menschen waren auch keine in der Nähe. Vermutlich waren diese Pferde zur Schlachtung bestimmt. Die blieben eher das ganze Jahr über draussen, da sie nicht geritten wurden. Heiðar parkte den Wagen ein Stück entfernt an der schmalen Strasse und näherte sich möglichst unauffällig der riesigen, mit Stacheldraht eingezäunten Weide. Der Wind stand günstig, die Pferde würden ihn nicht gleich wittern. Mit einem leichtfüssigen Sprung überwand er den niedrigen Zaun und prüfte nochmals sorgfältig die Umgebung. Die Luft war rein, er konnte sich gefahrlos an die Herde heranpirschen. Es waren zwölf Tiere unterschiedlicher Farbe. Sie trugen bereits ihr dichtes Winterfell und sahen aus wie riesige Plüschtiere. Eigentlich mochte er die edlen und stolzen Tiere. Aber jetzt ging es darum, seinen Frust loszuwerden und seinen Blutdurst zu stillen. Wenn er keine Menschen töten wollte, musste er sich wohl oder übel an Tierblut halten, es sei denn, er bat Fionn um ein paar Beutel Spenderblut. Sein Vater war aber im Moment so ziemlich die letzte Kreatur, mit der er sprechen wollte.
Er beobachtete die Gruppe, um sich ein geeignetes Opfer auszusuchen. Die Pferde waren alle noch ziemlich jung, höchstens zwei oder drei Jahre alt, kräftig und schnell. Der schlanke Fuchswallach mit der hellen Mähne sollte es sein. In gebückter Haltung schlich Heiðar näher an die Herde heran. Mehrere Köpfe schossen in die Höhe, sie hatten ihn wohl gerochen, schnaubten aufgeregt und drängten sich aneinander. Er fixierte den Wallach mit seinem Blick, stiess sich energisch vom Boden ab und startete die Jagd. In wilder Panik stoben die Pferde davon. Heiðar rückte im Laufen nah an den Fuchs heran. Ein geschmeidiger Sprung, das Pferd wich zur Seite aus, um seinem Jäger zu entkommen. Heiðar hatte mit dieser Reaktion gerechnet und war der Bewegung des Wallachs gefolgt. Er landete auf seinem Rücken und schlang ihm die Arme um den Hals. Das Pferd buckelte und versuchte verzweifelt, das Raubtier abzuwerfen. Heiðar fand das Gehopse beinahe amüsant und würde auf keinen Fall loslassen. Allerdings war er nicht hier, um das Tier zuzureiten, also liess er sich an der Seite heruntergleiten und stemmte die Füsse in den Boden, um das Pferd an der weiteren Flucht zu hindern. Der abrupte Stopp schob die Hinterbeine des Wallachs unter den Körper, die Vorderbeine wurden angehoben. Ein Kinderspiel, das Tier mit kraftvollem Schwung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der schwere Körper krachte zu Boden, er sprang hinterher und schlug dem blonden Pferd, ohne zu zögern, die scharfen Eckzähne in den Hals. Es wehrte sich mit verzweifelten Huftritten und versuchte wieder aufzustehen, aber Heiðar fixierte es mit vollem Körpereinsatz. Warmes Blut floss in einem pulsierenden Strom aus der Halsschlagader, er brauchte
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