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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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der Typ mit den schönen Augen, der sie zum Kaffee einladen wollte.

    „Sólveig. Kannst du bitte bei diesem Kunden anrufen?“ Sie reichte der Kollegin die Liste und tippte mit dem Finger auf Heiðars Nummer. „Ja klar, mach ich doch gerne.“ Rúna war erleichtert, dass ihr das erspart blieb. Sólveig hakte nicht nach und klemmte sich arglos ans Telefon. Sie erreichte bloss den Anrufbeantworter und hinterliess eine kurze Nachricht. Wenn Rúna gewusst hätte, dass Heiðar in den letzten Tagen regelmässig bei der Buchhandlung vorbeigegangen war, um sie heimlich zu beobachten, dann hätte sie vermutlich ziemlich sauer reagiert. Mit Mühe und Not verkniff er es sich, ihr nach Hause zu folgen, aus Angst, er könnte womöglich die Beherrschung verlieren und sie anfallen.

    Als er kurz nach Sieben nach Hause kam, erwartete ihn eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter: Sein Buch lag zur Abholung bereit! Das Geschäft hatte bis spät geöffnet, er wollte deshalb gleich vorbeigehen, um hoffentlich Rúna wiederzusehen! Beschwingt schnappte er sich die schwarze Fleecejacke, schlüpfte flott in seine Schuhe und war im Nu zur Tür hinaus. Die Stufen nahm er in einem Sprung und war schon auf dem Weg zur Buchhandlung. Warum mussten auch so viele Leute unterwegs sein! Es nervte ihn, dass er nicht schneller laufen konnte.

    Beim Geschäft angekommen, spähte er erst einmal durch die grosse Fensterfront: Da stand sie, an der Kassentheke! Rasch trat er ein und durchquerte zielstrebig den Laden. Er würde gleich an die Theke treten und sich wie ein normaler Mensch benehmen. „Schleich dich!“, herrschte er das durstige Raubtier an, das versuchte, die Kontrolle zu übernehmen. Es war nicht viel los an diesem Abend, er musste nicht einmal anstehen.

    Rúna bückte sich gerade nach einem heruntergefallenen Kugelschreiber. „Hallo Rúna, ich soll mein Buch abholen.“ Die leise, schmeichelnde Stimme liess sie vor Schreck zusammenfahren. Beinahe hätte sie sich den Kopf gestossen, als sie sich hastig aufrichtete. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg, und räusperte sich peinlich berührt. „Oh, hallo Heiðar. Ja klar, dein Krimi...“, stammelte sie und wandte sich rasch den reservierten Büchern zu. Sie brauchte einen Moment, um das richtige Buch und ihre Fassung zu finden, bevor sie sich wieder umdrehte, dabei ein Lächeln versuchte, das reichlich schief geriet. „Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe.“ Sie schüttelte die honigblonden Locken, lächelte nochmals ungeschickt und scannte den Preis ein. Heiðar zahlte passend und mit einem entwaffnenden Grinsen: „Du brauchst das Buch nicht einzupacken, ich lese es gleich hier. Und ich frage dich auch nicht, ob du mit mir zum Kaffeetrinken gehst. Deine Antwort kenne ich ja schon...“

    Damit hatte sie nicht gerechnet. Definitiv ein Punkt für ihn, musste sie zugeben. Die Kasse spuckte ratternd den Kaufbeleg aus. Rúna klappte den Deckel des Buches auf und legte das dünne, weisse Papier hinein. Klappte es wieder zu und fuhr kurz über den Einband, als wollte sie sich von dem Buch verabschieden. Wortlos schob sie es über die Theke. Heiðar nahm es entgegen und strich ihr dabei, scheinbar unbeabsichtigt, ganz sachte über den Handrücken. Es war überwältigend, die feine Textur der zarten Haut fühlen zu dürfen. Ihre Wärme und die weichen Härchen, die sich ihm entgegenreckten. Flüchtig ertastete er die zerbrechlichen Knochen unter der dünnen Haut. Das Wichtigste war ihr verführerisches Blut, das von diesem unvergleichlichen Herzklang bis in die kleinsten Gefässe gepumpt wurde. Seine Finger konzentrierten sich auf die feinen blauen Linien auf ihrem Handrücken, um es so deutlich wie möglich fühlen zu können.

    Der kurze Moment war viel zu schnell vorüber. Er wollte bedauernd die Augen niederschlagen, da es keinen Grund mehr gab, seine Hand verweilen zu lassen. Ihr hübsches Gesicht trug den Hauch einer feinen Röte, der schöne Mund verzog sich zur Andeutung eines Lächelns. Er nahm das Buch an sich, trat entschlossen einen Schritt zurück, drehte sich von ihr weg und begab sich schnurstracks zum Tresen des Cafés.

    An der Theke bediente das kurzhaarige Mädchen, das um den verschwunden Soap-Star geweint hatte. „Einen Cappuccino, bitte.“ Während der Kaffee in die Tasse rann und die Milch aufgeschäumt wurde, begutachtete er scheinbar interessiert das heutige Angebot an Süssgebäck. In Wirklichkeit hatte er etwas viel Köstlicheres im Auge.

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