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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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erschrecken und musste das Raubtier im Auge behalten. Rúna hatte bereits entschieden. Zu seiner Verblüffung stellte sie sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Bartstoppeln. Hätte er sich heute Morgen bloss die Zeit genommen sich zu rasieren! Unrasiertes Kinn hin oder her, nach diesem zärtlichen Übergriff durch die samtweichen fliedernen Lippen war er definitv im Himmel. „Tschüss Heiðar, bis morgen“, flüsterte sie und wandte sich mit rotglühenden Wangen ab. „Tschüss Rúna, ich freu mich.“ Seine Finger tasteten nach dem Sonnenstrahl, den ihr Mund auf seiner Haut hinterlassen hatte. Total überwältigt blieb er vor dem Café stehen, blickte und lauschte, wie das schöne Wesen mit dem melodischen Herzschlag sich langsam von ihm entfernte. Wahnsinn! Sie wollte tatsächlich mit ihm ausgehen! Er erwachte aus seiner Starre, sprang jauchzend hoch in die Luft und reckte dabei den rechten Arm dem isländischen Himmel entgegen, als hätte er eben einen Treffer für die Handball-Nationalmannschaft erzielt.
     
    Sie hörte seinen Freudenschrei, liess sich aber nichts anmerken. Dieser Heiðar war wirklich kein typischer Lehrer, benahm sich eher wie ein Fünfzehnjähriger, dem es gelungen war, seinen Schwarm ins Kino einzuladen. Kopfschüttelnd bog sie um die Ecke.
     
    Ein köstlicher Duft erfüllte die kleine Küche an der Skúlagata, als Snorri den Schellfisch-Auflauf aus dem Backofen holte und auf den Küchentisch stellte. Palli deckte für Drei. Rúna war bestimmt hungrig, wenn sie nach Hause kam. Sie wohnte jetzt schon fast ein halbes Jahr bei Snorri, und sie verstanden sich wirklich blendend. Snorri wusste gleich, dass sie seine neue Mitbewohnerin sein würde, obwohl sich ziemlich viele Leute um das Zimmer beworben hatten.
     
    Palli und Snorri waren seit rund drei Monaten ein Paar. Palli hatte nach wie vor seine eigene Wohnung, war aber oft bei Snorri, was Rúna überhaupt nicht störte, sie mochte ihn auch sehr gerne. Die beiden waren wie Brüder für sie und kümmerten sich gerne ein wenig um Rúna, was sie sichtlich genoss.
     
    „Wo sie wohl so lange bleibt?“ Snorri war immer gleich besorgt, wenn sie später als gewöhnlich nach Hause kam. Heute ganz besonders. Samstagnacht war eine junge Frau verschwunden. Sie stammte aus Garðabær und war an derselben Party gewesen wie Palli und er. Den Wagen der Frau fand man verschlossen in einer Seitenstrasse unweit des Clubs, den sie besucht hatte. Von ihr jedoch fehlte jede Spur. „Mach dir mal keine Sorgen, es ist ja noch nicht soo spät“, beruhigte Palli. „Lass uns schon mal anfangen, sie kommt sicher gleich.“
     
    Snorri setzte sich stirnrunzelnd zu Palli an den viereckigen Holztisch. „Ich werde ihr etwas aufwärmen, wenn sie da ist.“ Palli schöpfte erst von dem Auflauf in die Teller und reichte ihm dann die Kartoffeln, als sie auch schon den Schlüssel im Schloss hörten. Die Tür schwang auf, und Rúna kam rein. Ihr Schritt war beschwingt, sie schien gute Laune zu haben. „Hallo ihr beiden!“ Sie steckte den Kopf in die Küche. Snorri fiel auf, wie sehr sie strahlte. Ihr Kopf verschwand wieder, sie hängte ihren Parka an die Garderobe und ging ins Bad. „Ich wette, da ist etwas im Busch!“,meinte Snorri mit vielsagendem Blick. „Meinst du, es hat mit diesem Typen zu tun?“ – „Das wird sie uns gleich verraten. Achtung, sie kommt.“
     
    „Oh, das riecht ja lecker! Ich sterbe vor Hunger!“ Rúna hüpfte wie ein übermütiges Fohlen an den Tisch. Palli nahm sich ihren Teller und begann ihr aufzutun. Ihre schönen Augen leuchteten geheimnisvoll, und sie trug ein Lächeln im Gesicht, das sie nicht kannten. Snorri platzte fast vor Neugier. „Na mein Herz, wie geht’s dir denn heute?“ Sie grinste bloss und schenkte reihum Wasser ein. „Jetzt erzähl schon! Gute Neuigkeiten muss man teilen!“, drängte Palli und reichte ihr den gefüllten Teller.
     
    Sie holte tief Luft. „Also, ob ihr’s glaubt oder nicht – ich war heute nach der Arbeit Kaffee trinken. Mit Heiðar...“ „Dann ist er also doch nicht Mister Superlaunisch?“, triezte Snorri. Sie guckte eingeschnappt. „Nein, er ist echt ... nett. Morgen Abend hat er mich zum Essen eingeladen“ – „Sieht so aus, als wärst du auch bald versorgt, was Rúna?“, zwinkerte Palli. „Es war alles ein blödes Missverständnis“, erklärte sie, drehte dabei eine blonde Locke um den Zeigefinger. „Heiðar hat Snorri und mich am Freitag in der Stadt

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