Silbernes Band (German Edition)
könnte dir von Nutzen sein, wenn du eine Beziehung zu ihr aufbauen möchtest.“ Er lächelte verschmitzt. „Du warst heute mit ihr zusammen, und sie hat dich auf die Wange geküsst.“
Heiðar fuhr sich durchs Haar. „Es war nicht richtig, dass du sie beeinflusst hast, dass sie nicht selbst entscheiden konnte, ob sie sich mit dir unterhalten möchte. Deshalb will ich auch nicht wissen, was sie dir erzählt hat. Sie bedeutet mir sehr viel, und ich möchte auf keinen Fall etwas falsch machen. Das könnte leicht passieren, wenn ich Dinge von ihr weiss, die jemand anders mir erzählt hat. Wir müssen uns erst besser kennenlernen, und ich muss Geduld haben. Ich hoffe, dass ich ihr irgendwann mein Geheimnis anvertrauen kann.“ Fionn nickte zustimmend: „Ich helfe dir gerne dabei, sie behutsam mit deinem Geheimnis vertraut zu machen. Bei Kristín habe ich es so gemacht, dass sie nach und nach gewisse Dinge zur Kenntnis nehmen konnte. Der letzte Schritt, die endgültige Offenbarung des Geheimnisses, war dann gar nicht mehr so schwierig. Rechne aber dennoch mit einer heftigen Reaktion, es wird sie zweifellos schockieren. Solange sie es nicht weiss, solltest du dich etwas zurückhalten.“ Fionns Blick war bedeutungsvoll auf ihn geheftet, als er ergänzte: „Ihr Herz wurde bereits einmal gebrochen.“
Heiðar seufzte genervt. Fionn hatte ihm also doch etwas erzählen müssen, das er nicht wissen wollte. Seine Ratschläge wollte er trotzdem gerne annehmen. Er hatte sich schon verschiedene Strategien überlegt: Vielleicht ein direktes Coming-Out im Stil von „Liebling, mein Vater ist ein Vampir. Und ich ein halber.“ Das nahm sie vermutlich gar nicht ernst. Besser, er gab ihr Hinweise und vertraute auf ihre Sensibilität, die sie spüren liess, dass er irgendwie anders war. Abgesehen von seiner Augenfarbe gab es einige Dinge, die einem aufmerksamen Menschen auffallen konnten.
Sie schwiegen eine Weile. Heiðar überlegte, ob er Fionn auf die vermisste Frau ansprechen sollte. Bestimmt war es nicht klug, Steine zu werfen, wenn man selbst im Glashaus sass. Dass sein Vater Menschen jagte, war eine traurige Tatsache, mit der er sich wohl oder übel auseinandersetzen musste. Spontan beschloss er, das heikle Gespräch damit zu beginnen, seine eigene „Untat“ zu gestehen. „Hast du den Artikel über das tote Pferd gelesen?“ - „Ich nehme an, das warst du. Sei bitte in Zukunft vorsichtiger. Es war höchst riskant, dem Tier das Genick zu brechen.“ - „Es lebte noch, als ich längst satt war, aber ich wollte es nicht qualvoll verbluten lassen. Für die nächste Jagd muss ich wohl ins Ausland reisen.“ – „Du könntest einen Versuch mit Spenderblut machen, um die Jagd etwas herauszuzögern. Es gibt einen Kurierdienst, der an fast alle Orte in Europa liefert, ganz diskret und sicher.“
Fionn erhob sich, ging zur Minibar und nahm eine rechteckige Metallbox heraus, die er vor Heiðar auf den Tisch legte. Die Box war durch einen Code und ein Schloss doppelt gesichert. Fionn zog einen Schlüssel aus der Hosentasche, steckte ihn ins Schloss, gab einen zwölfstelligen Code ein und konnte erst jetzt den Schlüssel drehen, um die Box zu öffnen. Darin lagen mehrere Blutbeutel. Fionn schien Blutgruppe A Positiv zu bevorzugen.
„Bedien dich ruhig, ich erhalte morgen die nächste Lieferung.“ Heiðar starrte mit zusammengepressten Lippen in die Box. So einfach, und keiner der Spender musste sterben. Die Unsterblichen benutzten sie, während sie glaubten, etwas Gutes zu tun für ihre Mitmenschen. „Fällt es mir dann nicht schwerer, unter Menschen zu sein?“ Fionn schüttelte leicht den Kopf. „Wenn ich täglich etwas Blut zu mir nehme, lässt es sich sehr gut ertragen. Ich bin quasi ein Pegeltrinker!“ Er lachte ein kurzes, melodisches Lachen. „Auf meinen Reisen und durch meine Tätigkeit bewege ich mich ständig in der Welt der Sterblichen. Ich kann mich sehr gut beherrschen, wenn ich will. Und manchmal will ich mich nicht beherrschen. Das Spenderblut kann eine gute Jagd nicht ersetzen, ich brauche das ab und zu. Du möchtest mich nach der vermissten Frau fragen“, stellte er nüchtern fest, „Ja, ich habe sie getötet. Bedauerlicherweise hat sie ziemlich viele illegale Substanzen konsumiert und zudem eine Menge Alkohol, was leider dem Geschmack des Blutes abträglich ist.“
Fionn schien den Tod dieser Frau genausowenig zu beklagen, wie jenen des jungen Schauspielers. „Es tut dir nicht leid, dass du sie
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