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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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Tatsache verdrängen, dass sie bald sterben musste. “In Ordnung, Mama. Ich bitte Rúna, mich demnächst einmal zu begleiten.” Kristín tätschelte zufrieden seine Hand. “Lass uns Kaffee trinken.”
     
     

Gälische Zauberworte

    “Hallo Rúna.” Sie liess vor Schreck beinahe das Bilderbuch fallen, das sie eben am richtigen Platz einreihen wollte. In der Kinderbuchabteilung sah es oft aus, als hätte ein Wirbelsturm gewütet. Rúna wirbelte ebenfalls herum, als sie seine leise Stimme vernahm. “Sag mal, musst du mich immer so erschrecken? Du solltest dir ein Glöckchen umbinden, damit ich dich hören kann.” – “Gute Idee, ich werd’s mir überlegen.” Er trat nahe an sie heran, bis er ganz von Wollgras und Flieder umgeben war und die Strahlen der Frühlingssonne ihn wärmten, und beugte sich vorsichtig zu ihr hinunter, um sie zärtlich zu küssen. Rúna löste sich hastig von ihm und blickte sich um. “Pass auf, Dóra könnte uns sehen. Sie mag es nicht, wenn du jeden Tag herkommst.” – “Keine Sorge, hinterm Regal sind wir unsichtbar. Ich stehle mir jetzt noch einen Kuss, dann hol ich mir einen Kaffee und setze mich brav an einen Tisch. Ich hab jede Menge Schreibarbeiten zu korrigieren.” Rúna zog die Augenbrauen hoch. “Du denkst also, du kannst dir einfach einen Kuss stehlen?” – “Natürlich.” Er sah ihr tief in die Augen, rückte wieder näher und liess seinen Mund um ihre Lippen kreisen. Bevor er zur Landung ansetzen konnte, hielt sie sich das Bilderbuch vors Gesicht, und er sah sich einer rot und grün gescheckten Kuh gegenüber. Er schob es blitzschnell zur Seite und holte sich seinen Kuss. “Bis später, Rúna.” Sie blickte ihm kopfschüttelnd hinterher.

    “Der schon wieder!” Dóra verfolgte genervt, wie Heiðar betont langsam sein Tablett an der Kassentheke vorbeitrug, zu einem der Tische ging und einen dicken Packen Schreibhefte aus seinem schwarzen Rucksack holte. Sólveig, die neben Dóra an der Kasse stand, versuchte zu beschwichtigen: “Ach, er stört sie ja nicht bei der Arbeit. Ich glaube, er möchte einfach in ihrer Nähe sein.” – “Er hat wirklich eine aussergewöhnliche Ausdauer. Jeden Nachmittag kommt er her, und gestern ist er sogar bis Arbeitsschluss geblieben! Wenn ich Rúna wäre, hätte ich ihn schon längst nach Hause geschickt.” Dóra strich eine imaginäre Haarsträhne aus der Stirn. Das glatte blonde Haar war wie immer streng nach hinten gekämmt und ordentlich zusammengebunden. Streng und ordentlich, das entsprach Dóra. Sie hatte viele Jahre im Ausland gelebt, dabei musste ihr irgendwann ihre Lockerheit abhanden gekommen sein.

    “Also ich finde seine Anhänglichkeit süss. Man sieht deutlich, wie verliebt er ist!”, erwiderte Sólveig schwärmerisch. “Vielleicht hat er sie noch nicht rumgekriegt und ist deshalb so penetrant”, spuckte Dóra mit verächtlicher Miene. “Aber Dóra! Wie sprichst du denn? Das kann ich mir echt nicht vorstellen.” Der missmutige Zug um Dóras Mund wurde noch etwas deutlicher. “Oh, ich kann mir das sehr gut vorstellen. Dieser Heiðar war vor ein paar Jahren mit der Nichte meines Mannes zusammen. Ganze drei Monate, dann hat er einfach Schluss gemacht. Sara hat damals sehr darunter gelitten.” – “Wie schade für die Nichte deines Mannes.” Sólveig bückte sich, um einen Stapel Plastiktüten gerade zu rücken. “Mit Rúna wird er das nicht machen”, murmelte sie leise, bevor sie sich wieder aufrichtete.

    Als Dóra wenig später in ihrem Büro verschwand, nutzte Rúna ihre Chance. Sie holte sich bei Ilka einen Keks mit Schokoladestückchen und ging damit zu den Tischen am Fenster, wo Heiðar in seine Hefte vertieft war.

    Er hörte ihre anmutigen Schritte und den wunderschönen Herzschlag näherkommen, liess sich aber nichts anmerken. Wie lieb von ihr, ihm einen Keks zu bringen. Die schmale Hand schob den Teller auf seinen Tisch. “Danke für den Keks. Ist meine Lieblingssorte.” Sie beugte sich über ihn, kam ihm dabei ganz nahe. “Ich will meinen Kuss zurück.” Diesmal wehrte er sich nicht, als sie die warmen Lippen auf seinen Mund drückte und sich an seinen Schultern festhielt. Sein Kugelschreiber fiel auf den Tisch, damit er beide Hände frei hatte, um die zarte Umarmung zu erwidern. Ganz sachte schob sie ihre Zunge in seinen Mund und berührte ihn zärtlich. Er versuchte den plötzlichen Durst zu ignorieren. Verdammt, er hatte doch schon viele Frauen geküsst! Es ging nicht - ihre

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