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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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schrecklich sein würde. Vampire waren ja ganz in Ordnung, wenn sie zwischen zwei Buchdeckeln steckten oder auf Leinwand gebannt waren. Aber im richtigen Leben?

    Was erwartete einen an der Seite eines Halbvampirs? Mit welch grausigen Dingen musste sie rechnen? Rúna rief sich zur Beruhigung Kristíns Worte in Erinnerung: Sie hatte gesagt, dass Heiðar sie liebte und ihr niemals etwas antun würde. Waren ihre Blutergüsse etwa nichts? Zwar hatte er ihr im Wachzustand noch nie etwas angetan, im Gegenteil, er war unglaublich sanft und zärtlich und behandelte sie, als bestünde sie aus Glas. Kristín könnte ihr zur Seite stehen, doch sie war auf sich allein gestellt, durfte mit niemandem darüber sprechen.

    „Er liebt dich über alles“, hatte Fionn behauptet. Rúna dachte über ihre Gefühle für Heiðar nach. Konnte sie ihn noch lieben? Nun war genau das eingetreten, was sie immer befürchtet hatte. Sie musste entscheiden, ob sie ihn trotzdem liebte.

    Vergeblich versuchte sie sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Sie war heute zu gar nichts zu gebrauchen, was ihrer Chefin keinesfalls verborgen blieb. „Was ist bloss mit Rúna los? Die rennt schon den ganzen Morgen wie ein aufgescheuchtes Huhn zwischen den Regalen hin und her.“ – „Vergiss nicht, dass Heiðars Mutter gerade gestorben ist. Ich glaube, das geht ihr sehr nahe“, verteidigte Sólveig ihre liebste Arbeitskollegin. Dóra verzog das Gesicht: „Ich kann durchaus nachvollziehen, weshalb sie in den letzten Tagen still und traurig war - aber nicht diese kopflose Hektik. Da muss etwas anderes dahinterstecken. Heiðar war jedenfalls gestern nicht da“, ergänzte sie mit vielsagendem Blick und strich sich sorgfältig über die strenge Frisur.

    „Mein Gott, gebt dem armen Mädchen etwas Zeit!“, wandte sich Sólveig genervt von Dóra ab. Ob sie Rúna in der Mittagspause ansprechen sollte? Sie könnte ganz behutsam nachfragen. Mitleidig musste sie zusehen, wie die Ärmste bestimmt zum zehnten Mal in zwei Stunden dieselben Modezeitschriften geraderückte und mittendrin zu den Tischen mit den Neuerscheinungen hetzte. Sie nahm eines der verrutschten Bücher in die Hand und starrte mit verlorenem Blick zum Eingang, als warte sie darauf, dass jemand durch die Tür trat.

    Ilka hatte eben benutztes Geschirr eingesammelt und trug ihr Tablett nach hinten. Rúna schien nicht zu bemerken, wie sie mit unverhohlener Neugier zu ihr rüber guckte. Sie schwebte wohl gerade in ihrer eigenen Welt, blickte wie hypnotisiert zur Tür und liess sogar das Buch fallen, das sie in ihren Händen hielt. Örn Eyvindsson hätte gar keine Freude daran, wie man mit seinem neuesten Werk umging! „Hast du das gesehen!“, mokierte sich Dóra. „Besser ich schick sie nach Hause.“ Ilka stoppte an der Kassentheke und blickte nochmals über die Schulter zu Rúna, die sich jetzt umständlich nach dem gefallenen Buch bückte. „Ich wette, Heiðar hat nicht bloss seine Mutter beerdigt.“ – „Sprich nicht so abschätzig. Was immer es ist, in diesem Zustand kann ich sie nicht auf unsere Kunden loslassen.“ – „Mal sehen, ob er heute aufkreuzt. Wenn nicht, ist der Fall wohl eindeutig.“ – „Das wäre natürlich bedauerlich – obwohl es mich ehrlich gesagt nicht verwundern würde“, erwiderte Dóra mit unbewegter Miene. „Ich hab sie gewarnt - aber sie wollte sich lieber selbst ein Bild von ihm machen. Das hat sie jetzt davon.“ – „Sei still, sie kommt!“, zischte Dóra hinterm Tresen hervor. Ilka zog mit flotten Schritten von dannen.

    „Dóra.“ Rúnas Stimme klang heiser, der Blick aus verquollenen Augen war irgendwie abwesend. Die Angesprochene setzte eine geschäftsmässige Miene auf, immerhin mit dem Anflug eines Lächelns. „Ist es okay, wenn ich eine längere Mittagspause mache? Ich wollte ins Stalldorf... Ich brauch etwas frische Luft.“ – „Selbstverständlich. Du bist heute ganz schön durcheinander. Lass dir ruhig Zeit, es reicht völlig, wenn du um Zwei wieder hier bist.“ – „Danke.“ Rúna ging mit kraftlosen Schritten zu den Neuerscheinungen zurück.

    Sólveig hatte von ihren Plänen gehört. Da gerade niemand ein Buch kaufen wollte, schlich sie rasch zu ihr hinüber. „Du fährst zu deinem Pferd?“ Rúna nickte. „Ich nehm den Bus und geh das letzte Stück zu Fuss.“ – „Das brauchst du nicht, ich leih dir mein Auto. Nimm dir einfach den Schlüssel aus meiner Handtasche.“ Rúnas Grimasse sollte ein Lächeln sein. „Das ist

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