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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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kramte im Kühlschrank nach Essbarem und stellte fest, dass er noch einkaufen musste. Rúna war bestimmt hungrig, wenn sie von der Arbeit kam. Und er wollte unbedingt noch bei 12 Tónar vorbei, um sich die neue CD von Ljósaskiþti zu besorgen. Elf wunderschöne, gefühlvolle Songs, die meist von Liebe handelten. Ob das etwas half?

    Viel zu früh stand er vor der Buchhandlung. Seine Anspannung wuchs mit jeder Minute. Würde Rúna ihm sein Verhalten verzeihen? Wie reagierte sie, wenn er ihr sagte, dass er ein Halbwesen war? Konnte sie damit leben? Es war kaum auszuhalten! Er wollte einfach, dass sie möglichst bald durch diese Tür trat und er endlich Gelegenheit bekam, ihr alles zu sagen. Auch, dass er sie liebte.

    Um zwanzig vor Sieben trat sie ins Treppenhaus, öffnete etwas zögerlich die Glastür und wagte sich aus dem Schutz des Gebäudes. Ihr Herz klopfte ziemlich schnell, das hübsche Gesicht war ungewöhnlich blass und sie hatte dunkle Schatten unter den geröteten Augen. Das halbe Lächeln wirkte künstlich und distanziert. Heute flog sie ihm nicht entgegen. Er lächelte vorsichtig, ohne seine Zähne zu zeigen, wusste nicht, ob er sie küssen sollte, ob er das überhaupt noch durfte. „Hallo Rúna.“ Sie blieb vor ihm stehen, hielt dabei einen deutlichen Abstand ein, so als wären sie bloss flüchtig bekannt. Er könnte nach ihr greifen, sie an sich ziehen, sie küssen. Vielleicht wäre dann alles wieder in Ordnung. „Hallo Heiðar, lass uns gehen.“ Kein Kuss, nur diese kühlen Worte. Er nickte, versuchte es nochmals mit einem Lächeln. Sie eilte schon mit langen Schritten zur Beifahrertür seines Wagens, wollte nicht, dass er ihr beim Einsteigen behilflich war. Auf der kurzen Fahrt zu seiner Wohnung sprachen sie kein Wort, starrten beide durch die Windschutzscheibe auf die Strasse. Kaum stand der Wagen still, sprang sie hinaus, blieb dann zwei Schritte hinter ihm, als sie zur Tür gingen, und zögerte wieder, bevor sie über die Schwelle trat. Im Flur drehte sie sich so, dass er keine Gelegenheit hatte, ihr die Jacke abzunehmen. Ihre offensichtliche Ablehnung, ja Furcht, tat unheimlich weh. Ihm war klar, dass er sie endgültig verlieren würde, wenn er ihr gleich sein Geheimnis anvertraute. „Was möchtest du trinken? Bist du hungrig?“ Banale Fragen, um etwas Normalität vorzutäuschen. Sie schüttelte den Kopf. „Nur ein Glas Wasser, bitte.“ Heiðar zog sich mit der Einkaufstüte in die Küche zurück, verstaute rasch die Lebensmittel und füllte einen Krug mit Wasser.

    Sie war schon ins Wohnzimmer gegangen und hatte sich in den Sessel gesetzt. Da war kein Platz für zwei, sie brauchte einen Sicherheitsabstand für dieses wichtige Gespräch. Er stellte den Krug und die Gläser auf den Couchtisch, schenkte ein und setzte sich ihr gegenüber aufs Sofa. Sie blickte in seine wunderschönen Augen. Er hatte dieselben Augen wie sein Vater. War er deshalb auch wie sein Vater?

    Sie begannen beide gleichzeitig zu sprechen, mussten unwillkürlich lächeln, doch das Lächeln wurde von Ernsthaftigkeit erstickt. „Du zuerst.“ Sie liess ihm den Vortritt, schliesslich war es sein Geheimnis. „Rúna. Ich bin jetzt bereit, dir von meinem Geheimnis zu erzählen. Vermutlich wirst du dann nicht mehr mit mir zusammensein wollen, das muss ich wohl akzeptieren. Es tut mir leid, wie ich dich am Montag behandelt habe, und ich möchte dir gerne erklären, warum ich so abweisend war.“ Ihre Miene verriet sie nicht, doch ihr Herz pochte wie wild. Heiðar holte tief Luft und fuhr sich durchs Haar. „Seit wir uns kennen, habe ich versucht, dir zu zeigen, dass ich anders bin. Du hast bemerkt, dass meine Körpertemperatur und mein Herzschlag nicht so sind wie bei normalen Menschen und dass ich mich schnell und lautlos bewegen kann. Vielleicht hast du auch festgestellt, dass meine Sinne besser ausgebildet sind als allgemein üblich. Und diese Dinge, die ich tun muss, da ich meiner Natur nicht entkommen kann, die mir Schuldgefühle verursachen.“ Er schloss kurz die Augen, bevor er weitersprach. Bevor er die schreckliche Wahrheit aussprach, die ihrer Liebe den Todesstoss versetzen würde. „Rúna, ich brauche Blut, um leben zu können. Mein Vater ist ein Vampir.“ Er sprach nicht mehr weiter, sah einfach zu Boden und erwartete, dass sie schreiend die Wohnung verliess. Doch das tat sie nicht, fixierte ihn stattdessen mit ihrem Blick und zwang ihn sie anzusehen. „Ich weiss es bereits... Es macht mir Angst, und ich

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