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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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doch. Du fragst dich vielleicht, wie ein Unsterblicher dazu kommt, sich mit einer Sterblichen zu verbinden.“ Sein Blick war auf die Wand geheftet, schien aber weit darüber hinaus in eine lange zurückliegende Zeit zu blicken. Die saphirblauen Augen wirkten nicht länger bedrohlich. Rúna bemerkte stattdessen eine seltsame Traurigkeit. Er wartete nicht ab, bis sie sich setzte, sondern begann zu erzählen: „Wir begegneten uns in diesem Hotel. Kristín arbeitete damals als Zimmermädchen, um sich die Abendschule zu finanzieren. Ich war fasziniert von ihr und wusste schon bald, dass ich sie liebte. Es gelang mir sie zu erobern und Kristín willigte ein, mich nach Paris zu begleiten, wo wir schliesslich liebende Gefährten wurden. Zwei Jahre lang waren wir sehr glücklich.“
     
    Rúna spürte, wie eine seltsame Ruhe über sie kam. Die Angst fiel gänzlich von ihr ab, Herzschlag und Atmung normalisierten sich. Ohne weiter darüber nachzudenken, ging sie langsam zum Sofa und setzte sich Fionn gegenüber. Er schenkte ihr die Andeutung eines Lächelns. „Wir reisten fast zwei Jahre lang durch die Welt. Als wir uns in Kanada aufhielten, wurde Kristín überraschend schwanger. Nach dem ersten Schrecken freuten wir uns auf das Kind. Kristín wünschte sich, in Island zu leben, da sie grosses Heimweh hatte. Ich wollte alles tun, um sie glücklich zu machen, also kauften wir eine Farm, hielten Schafe und versuchten möglichst normal zu leben. Unser Kind sollte nicht darunter leiden müssen, dass ich kein Mensch bin. Leider war ich nicht stark genug, um Kristíns Bedingungen erfüllen zu können. Sie verliess mich noch vor Heiðars Geburt. Es war sehr schmerzhaft, von ihnen getrennt zu sein und Heiðar nicht aufwachsen sehen zu können. Wir haben uns erst vor Kurzem kennengelernt, nachdem ich ihn jahrelang bloss heimlich nachts besuchen konnte. Ich liebe ihn sehr, und ich liebe seine Mutter, über den Tod hinaus, ich werde Kristín immer lieben. Bei Heiðar ist es nicht anders. Er liebt dich über alles. Es ist mein grosser Wunsch, dass du glücklich wirst mit ihm.“
     
    Seine Worte berührten sie. Rúna fragte sich, ob sie immer noch im selben Film sass. Ob dieser blonde Vampir, der behauptete Heiðars Vater zu sein, ihr noch vor wenigen Minuten grosse Angst eingejagt hatte? Oder hatte sie sich am Ende nach der Pause in einen anderen Kinosaal gesetzt und war nun vom Horror-Streifen in ein tränenreiches Drama geraten? Immerhin war es ihr gelungen, sich wieder etwas zu beruhigen, und sie versuchte klar zu denken: Kristín hatte all das auch durchgestanden, hatte zwei Jahre lang an der Seite eines Vampirs gelebt. Fürs Erste spielte es keine Rolle, dass Heiðars Mutter Fionn verlassen hatte, die genauen Gründe brauchte sie nicht zu kennen. Fionns Liebe für Kristín und Heiðar schien jedenfalls echt zu sein. So etwas konnte nicht mal ein Vampir vortäuschen. Blieben noch ihre vielen Fragen. Heiðar sollte sie beantworten. Sie fand es nicht richtig, Fionn danach zu fragen. Gleich morgen, nach Heiðars Rückkehr, mussten sie miteinander sprechen. Rúna wollte ihn mit der Wahrheit konfrontieren. Bis dahin musste sie sich überlegen, ob sie weiterhin mit ihm zusammen sein konnte. Sie war immer noch seltsam ruhig, funktionierte auf Autopilot. Vermutlich war sie einfach zu geschockt.
     
    „Ich möchte jetzt gehen.“ Sie erhob sich vom Sofa, ängstlich darauf bedacht, Fionn nicht zu provozieren, dachte an die eindringlichen Blicke und seine spitzen Zähne, hoffte, dass er sie ziehen liess. „Selbstverständlich. Ich rufe dir ein Taxi.“ Im nächsten Moment hatte er schon den Hörer in der Hand und sprach mit der Rezeption. Rúna hatte nicht mitbekommen, wie er zu dem Tischchen gelangt war, wo das Telefon stand. Es machte sie nervös, und sie wollte jetzt einfach bloss von hier verschwinden.
     
    Er half ihr in die Jacke und begleitete sie nach unten, wo das Taxi bereitstand, brachte sie zum Wagen, bezahlte den Fahrer und verabschiedete sich mit einem galanten Handkuss von ihr. Rúnas Blick schweifte orientierungslos herum, als sie einstieg.
     
     

Ein schwieriger Entscheid

    Sie wünschte, sie hätte das alles nur geträumt. Seltsamerweise hatte sie tief und scheinbar traumlos geschlafen. Das liess ihr keine Chance, den Ereignissen vom Vorabend und damit der grausamen Wahrheit zu entkommen. Ihre Welt war gewaltig aus den Fugen geraten, sie hatte nicht damit gerechnet, dass Heiðars Geheimnis derart unglaublich, ja

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