Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
der zu den Waschräumen führte, blieb vor dem
Zigarettenautomaten stehen und suchte in den Taschen seiner Jeans nach Münzen.
Aidan näherte sich ihm, raubte ihm
durch eine Berührung im Nacken das Bewußtsein und fing ihn auf, bevor er in
sich zusammensackte. Obwohl mehrere Leute vorbeigingen, als Aidan sich an dem
Blut des jungen Diebs labte, schaute sich niemand nach ihm um, und es kam auch
keiner auf die Idee, sich einzumischen.
Tommys Blut war schwer und
berauschend wie süßer Wein, und obwohl Aidan den Prozeß der Blutaufnahme haßte,
verspürte er eine schwindelerregende Euphorie, die völlig anders war als
alles, was er je zuvor in dieser Richtung erlebt hatte. Einen Augenblick später
jedoch, als er Tommy zu einem Stuhl an einem Ecktisch zog, um ihn dort
zurückzulassen, war ihm plötzlich, als hätte ihm jemand mit einer Spritze helle
Sonnenstrahlen injiziert. Er brannte lichterloh, doch diesmal geschah es
innerlich und nicht auf seiner Haut.
Aidans Knie zitterten, es kostete
ihn eine gewaltige Kraftanstrengung, sich auf den Beinen zu halten.
Tommy, der eben noch vollkommen
reglos gewesen war, grinste triumphierend zu ihm auf. Aidans Sicht verschärfte
sich, ließ nach und verschärfte sich von neuem, in übelerregend schneller
Folge, und er mußte sich am Tisch festhalten, um nicht hinzufallen.
»Was hast du, Vampir?« erkundigte
Tommy sich gedehnt. »Bist du krank?«
Ein Magier, dachte Aidan. Zu spät erinnerte er
sich an Valerians Warnung vor den anderen übernatürlichen Wesen, die sich in
der Last Ditch Tavern zu versammeln pflegten.
Tommy lachte. »Ja«, sagte er.
Der Schmerz stieg jetzt heiß wie
kochender Wasserdampf in Aidan auf. Als er sich abwandte, stolperte er und
fiel.
Das höhnische Gelächter des Magiers
in den Ohren rappelte Aidan sich mühsam wieder auf. Hauptsächlich durch Tasten,
weil er fast nichts sah, fand er den Weg zur Hintertür und stürzte in die kalte
Nacht hinaus.
Dort, im frischgefallenen Schnee,
sackte er bewußtlos in sich zusammen.
»Sieh mal!« sagte Canaan Havermail
kichernd und deutete mit dem Zeigefinger auf Aidans reglose Gestalt. »Ein
Schneemann!«
»Sei still!« zischte Benecia,
während sie neben Aidan in die Knie ging und ihn auf den Rücken drehte. Es
stimmte sie immer sehr ungeduldig, wenn Canaan sich so kindisch verhielt, denn
immerhin lebte sie nun schon vier Jahrhunderte als Vampir. Benecia strich den
Schnee von Aidans versengtem, aber immer noch sehr hübschem Gesicht und fühlte
ein leises Sehnen in ihrem Herz erwachen, so verwittert und versteinert es auch
sein mochte. Sie mochte Aidan, obwohl sie es noch nie jemandem eingestanden
hatte, aber sie wußte, daß sie ihn niemals als Liebhaber gewinnen würde. In
seinen Augen war sie keine erwachsene Frau mit ähnlicher oder sogar noch
beträchtlicherer Macht als seiner eigenen, sondern nur ein kindliches Ungeheuer.
»Wir müssen ihn zu Mutter oder Tante Maeve bringen! Ich glaube, er ist
vergiftet.«
Canaan seufzte, verärgert über die
Unterbrechung ihres nächtlichen Streifzuges, vor allem, weil es noch so früh am
Abend war. »Ach, verdammt. Was glaubst du, was es war ob ihn ein Magier
erwischt hat?«
»Höchstwahrscheinlich«, erwiderte
Benecia leise, während sie Aidans Oberkörper in ihre plumpen kleinen Arme zog.
»Kommst du mit, oder muß ich es allein tun?«
Canaan tippte mit einem zierlichen
Fuß auf den Boden und legte den Kopf schief. »Wenn ich dir helfe, können wir
dann eine Teeparty veranstalten?« erkundigte sie sich lauernd.
»Von mir aus«, stimmte Benecia
ergeben zu.
»Mit unseren Puppen?«
»Mit unseren Puppen!« Die ältere
Schwester verwandelte sich und Aidan in wabernden grauen Nebel.
Schon Sekunden später tauchte das
Trio in Havermail Castle auf, wo die Schwester jedoch feststellen mußte, daß
sich Aubrey und Roxanne noch auf Jagd befanden.
Canaan hätte Aidan am liebsten ins
Verlies befördert, um die versprochene Teeparty zu beginnen, aber Benecia
dachte nicht daran, sich aus seiner Nähe zu entfernen. Und so kam es, daß die
drei sich um das flache, quadratische Grabmal eines alten Vorfahren
versammelten, in der Krypta im ältesten Teil des Schloßfriedhofs. Während Aidan
auf einem Stuhl ruhte, noch immer ohne Bewußtsein, verteilte Canaan ihre Puppen
auf winzige Stühle um den improvisierten Tisch. Dann legten sie Gedecke aus
feinstem Porzellan und Silberlöffel auf.
»Nimm doch bitte noch etwas Tee,
Benecia, Liebes«, drängte Canaan und setzte ein
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