Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Gerichtsarchiv.«
Ben schien erstaunt. »Warum, Neely?«
fragte er mit einem leisen Unbehagen. »Warum interessierst du dich für diese
Leute? Ich fand es schon immer ein bißchen unheimlich, wie zurückgezogen dieser
Tremayne lebt.«
Neely stützte die Ellbogen auf den
Tisch und legte das Kinn auf die Hände.
»Ich kann es dir nicht erklären«,
antwortete sie aufrichtig. »Es ist fast wie ein innerer Zwang. Ich habe Mr.
Tremayne erst zweimal gesehen, und doch empfand ich jedesmal eine Art innerer Verwandlung,
wie ich sie früher nie für möglich gehalten hätte. Ich glaube, wenn ich nicht
aufpasse, könnte ich mich sogar in ihn verlieben.«
Ben schüttelte den Kopf und grinste,
dann stand er auf und ging zur Theke, um zwei Stück Zitronenkuchen zu holen. Im
allgemeinen blieb er nie so lange im Cafe, doch da Danny die Nacht bei einem
Schulfreund in der Stadt verbrachte, bestand für Ben kein Grund zur Eile.
»Wäre das so schlimm?« fragte er.
»Wenn du dich verlieben würdest, meine ich?«
Neely nahm eine Gabel und stach ein
Stück von ihrem Kuchen ab. »Wann wirst du wieder heiraten, Ben?« entgegnete sie
ausweichend. »Shannon ist jetzt schon fünf Jahre tot. Wird es nicht langsam
Zeit, daß du dir wieder eine Partnerin suchst?«
Ben lachte, aber es klang traurig.
»So einfach ist das nicht«, sagte er. »Niemand läuft Gefahr, mich mit Kevin
Costner zu verwechseln, und mein Job ist auch nicht gerade imponierend. Ich
habe einen kleinen Sohn, der noch immer darauf wartet, daß seine Mutter
heimkommt, einen altersschwachen Kombiwagen, der dringend überholt werden
müßte, ein kleines Sparkonto und Krankenhausrechnungen, die der amerikanischen
Staatsverschuldung gleichen. Welche Frau, die auch nur eine Spur von Grips
besitzt, würde sich mit mir belasten?«
Neely berührte zärtlich seinen Arm.
»Keine, wenn du so denkst«, entgegnete sie vorwurfsvoll. »Aber was ist mit
deinen anderen guten Eigenschaften, Ben? Du hast treu zu Shannon gehalten, als
sie das Schlimmste durchmachte, was einem Menschen zustoßen kann, und du warst
immer für sie da, obwohl du selbst unendlich gelitten haben mußt. Du hast Danny
aufgezogen, mit viel Liebe und mit Zärtlichkeit, und du bist zäh, Ben. Sehr
viele andere Menschen hätten aufgegeben, wenn sie im gleichen Jahr ihre Frau
und ihren Arbeitsplatz verloren hätten, aber du hast weitergekämpft. Du bist
ein großartiger Mensch, Ben, und ich bin sicher, daß es eine Menge guter Frauen
gibt, die Ausschau halten nach jemanden wie dir. Du solltest dich nur nicht
ständig hinter deinem schroffen Wesen verstecken.«
Bens Erröten war der Beweis, daß
Neelys Bemerkungen ins Schwarze getroffen hatten. Nach kurzem Schweigen
entgegnete er: »Und was ist mit dir, Neely? Ist es ernst zwischen dir und
diesem Tremayne?«
Sie wandte den Blick ab. »Es könnte
es werden«, gab sie zu. »Zumindest auf meiner Seite, aber ich glaube nicht, daß
Aidan je einen Gedanken an mich verschwendet hat.« Sie hielt den Zeitpunkt für
gekommen, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Die Leute, mit denen
Hargrove seine Geschäfte macht, werden vielleicht noch Jahre warten, bis sie
zuschlagen, Ben, aber früher oder später werden sie dafür sorgen, daß ich einen
Unfall erleide. Es ist schlimm genug, daß ich hier bleiben muß, an einem so
offensichtlichen Ort, und daß ich dich und Danny in Gefahr bringe. Ich kann
nicht auch noch einen Mann, der von allem keine Ahnung hat, in diese Geschichte
mit hineinziehen.«
Ben seufzte resigniert. »Wir sind
schon ein Paar, du und ich«, sagte er. »Aber irgendwann werden der Senator und
seine Komplizen verhaftet werden, und dann bist du außer Gefahr.«
Neely warf ihrem Bruder einen
zweifelnden Blick zu, bevor sie aufstand und ihre Fotokopien an sich nahm. Sie
ging vor ihm zur Tür, wartete draußen jedoch, bis er das Licht gelöscht und die
Tür abgeschlossen hatte.
»Vielleicht hätte ich das Material
einem Journalisten übergeben sollen«, meinte sie nachdenklich. »Ich könnte es
noch immer tun, falls das FBI nichts unternimmt.« Neely besaß Kopien von den
belastenden Dokumenten, die sie an einem sicheren Platz untergebracht hatte. Aber
sie hatte weder Ben noch irgendeiner anderen Person verraten, wo. Es war viel
zu gefährlich, so etwas zu wissen.
Der Schnee war hart gefroren, der
Himmel klar und sternenübersät. Ben begleitete Neely zu ihrem Wohnwagen und
wartete, bis sie aufgeschlossen und das Licht angeschaltet hatte.
»Du hast morgen
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