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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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ein, bebend
vor Erschütterung über diesen neuerlichen Schmerz, und las, was sie auf die
Rückseite ihrer Telefonrechnung geschrieben hatte. Alles, was von der
phantastischen Erfahrung zurückgeblieben war, war ein hastig dahingekritzeltes
Wort.
    Aidan.

Vier
    Aidan schlief tief und fest am
darauffolgenden Tag. Er erwachte nur wenige Minuten nach Sonnenuntergang und
versuchte noch immer, seine Gedanken zu sammeln, als Maeve erschien,
majestätisch schön in einer fließenden weißen Toga.
    Sie schaute sich in dem dunklen Minenschacht
um und rümpfte die Nase über die Spinnweben und den Schmutz. »Deine Neigung zur
Selbstkasteiung überrascht mich immer wieder«, bemerkte sie.
    Sorgfältig klopfte Aidan den Staub
von seinem Frack und zog spöttisch eine Augenbraue hoch, als er seine Schwester
betrachtete. Maeve war für irgendeine römische Feier angekleidet, aber es war
sicher nichts Authentisches. Wie den meisten Vampiren war es auch ihr verboten,
weiter in der Zeit zurückzugehen, als bis zum Augenblick ihres Dahinscheidens
als menschliches Wesen. Aidan lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Auf dem Weg zu einer deiner
ausschweifenden viktorianischen Parties?« fragte er.
    »Es kann keine Rede von
Ausschweifungen sein!« entgegnete Maeve scharf. »Die Havermails sind
ausgesprochen nette ...« »Leute?« neckte Aidan.
    Maeve wandte einen Moment den Kopf
ab. »Vampire«, sagte sie leise. »Natürlich sind sie Vampire.« Dann flackerte
ihr Ärger von neuem auf. »Hör auf, das Thema zu wechseln, Aidan! Du hast den
Ball gestern nacht sehr früh verlassen. Wo warst du?«
    Aidan verspürte ein dringendes
Verlangen nach frischer Luft, obwohl er diesen wunderbaren Stoff nicht einmal
atmen konnte. Er stellte sich vor, oben am Ausgang der Mine im frischen Schnee
zu stehen, und so schnell wie sein Gedanke war er da. Einen Moment später
erschien Maeve neben ihm.
    Die Wälder waren still, mit Ausnahme
des entfernten Heulens einer Eule und des vagen Murmelns von Autoreifen auf
der Schnellstraße. Wolken verdeckten den Mond, eine Art blasser Dunkelheit lag
über dem Land.
    »Wo warst du gestern nacht, Aidan?«
beharrte Maeve.
    Er ging auf sein Haus zu. Er würde
sich umziehen und schon früh Nahrung suchen heute abend, um dann Zeit für sein
Lieblingsspiel zu haben, das darin bestand, so zu tun, als ob er ein Mann
wäre. »Vorausgesetzt, es ginge dich etwas an«, erwiderte er, ohne anzuhalten,
»warum sollte es dich interessieren?«
    Maeve trat vor ihn und schaute
wütend zu ihm auf. »Du bringst uns alle in Gefahr, wenn du mit Menschen
umgehst, und das weißt du sehr gut, Aidan! Wenn du wirklich deine Existenz
aufgeben willst, werde ich mich wohl damit abfinden müssen — aber du hast kein
Recht, uns andere in Gefahr zu bringen!««
    Aidan zuckte zusammen, denn ihre
Worte schmerzten. »Na schön«, sagte er müde, so unendlich müde. Er kam sich wie
ein schuldbewußter Ehemann vor, der eine Lücke in seinem Terminplan zu
erklären versucht, und der Vergleich war ihm äußerst unangenehm. »Nachdem ich
den Ball verlassen hatte, kam ich hierher zurück, um mich in meiner Höhle zu
verkriechen wie jedes andere brave Ungeheuer.«
    Maeve erlaubte Aidan, an ihr
vorbeizugehen, und beeilte sich, Schritt mit ihm zu halten wie damals, als sie
noch Kinder gewesen waren. »Valerian sagte, du hättest mit dieser ... Neely
getanzt!«
    »Es war nur eine geistige Übung,
eine geteilte Illusion«, erwiderte Aidan. Selbst das erklärte er nicht gern,
aber es stimmte schon, daß er mit seiner Faszination für Neely möglicherweise
andere Vampire in Gefahr brachte. Zuviel Kontakt zu Menschen, von der
Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme einmal abgesehen, schwächte die Macht eines
Vampirs und verringerte seine Wahrnehmungsfähigkeit. Und Schwäche zog andere
Ungeheuer, wie Lisette zum Beispiel, wie magisch an, wie blutiges Wasser Haie.
»Du glaubst doch nicht, daß ich tatsächlich mit ihr getanzt oder sie in den
Armen gehalten haben könnte? Eine menschliche Frau?«
    Sie betraten das Haus durch den
Hintereingang. In der Küche, die nichts Eßbares enthielt, zwang Maeve ihren
Bruder von neuem, stehenzubleiben, indem sie seinen Frackärmel ergriff.
    »Könntest du sie nicht einfach
vergessen?« flehte sie. »Dafür kann es doch noch nicht zu spät sein!«
    Aidan schaute seine Schwester lange
an, bevor er antwortete. »Es war vom Anfang der Zeiten an zu spät«, sagte er.
»Laß es gut sein, Maeve. Es ist nicht mehr zu ändern.«
    »Vergiß sie!«

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