Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Aidan sanft. »Die Frau, die entweder meine Verdammnis
oder meine Rettung sein würde?« Er hielt inne, um seine Gedanken zu sammeln,
und runzelte nachdenklich die Stirn. »Im Gegenteil, meine Liebe, ich glaube,
daß es sogar sehr gut möglich ist. Ich weiß nichts über Neely, und sie ist, wie
du schon sagtest, eine Sterbliche. Und dennoch, Maeve — als ich sie sah, war
mir, als ob meine Seele mich verließe und zu ihr eilte, begierig, sich in ihr
zu verlieren.«
Aidan wirkte so gehetzt und in die
Enge getrieben, daß Maeve die Tränen kamen. In diesem Augenblick begann sie
Neely Wallace zu fürchten — und zu hassen —, denn falls Aidans Theorie stimmte,
war die Lage ernst, sehr ernst sogar.
»Was wirst du tun?« flüsterte Maeve.
»Tun?« entgegnete Aidan leise.
»Meine liebe Schwester, es gibt hier nichts zu tun. Es ist etwas, das sich
entfalten muß.«
»Nein«, wandte Maeve mit zitternder
Stimme ein. »Das alte Weib hat damals gesagt, es käme auf eure Entscheidungen
an, auf deine und auf ihre, ob du gerettet oder zerstört würdest!«
Aidan kam zu ihr und legte sanft die
Hände um ihr schmales Gesicht. »Ich kann nur meine eigenen Entscheidungen
bestimmen«, erwiderte er ruhig. »Was Neely beschließt, unterliegt nicht meinem
Willen.«
Maeve bebte vor Zorn und Furcht. »Du
willst zugrunde gehen!« rief sie. »Verdammt, Aidan, ich bin dir in die
Ewigkeit gefolgt, und du würdest mich bedenkenlos verlassen, um Zuflucht im Tod
zu suchen!«
Aidan gab sie frei und trat an eins
der hohen Fenster. »Von dir getrennt zu sein wäre für mich sehr schmerzlich«,
gab er zu. »Aber wir dürfen nicht vergessen, daß wir nur Bruder und Schwester
sind, Maeve, und keine Liebenden. Vielleicht ist es uns einfach nicht bestimmt,
denselben Weg zu gehen.«
Maeve beherrschte sich nur mühsam,
als ihr die schmerzliche Wahrheit aufging, die in Aidans Worten lag. »Du hast
also schon beschlossen, diesen Wahnsinn fortzusetzen?«
»Ja«, erwiderte er müde, ohne sich
zu seiner Schwester umzudrehen. Zum erstenmal, so weit Maeve zurückdenken
konnte, schien er sich ihrer Gefühle nicht bewußt zu sein. »Ja«, wiederholte
er. »Was auch immer daraus entstehen mag, ich werde es durchstehen und am Ende
dieses Wegs mein Schicksal finden.«
Endlich wandte Aidan sich vom
Fenster ab, um Maeve anzusehen, obwohl er immer noch Distanz zu ihr hielt. Und
da sie wußte, daß diese Distanz nicht nur körperlich war, sondern auch
emotional, verwunderte er sie damit noch mehr.
»Du wirst dich nicht einmischen, so
verführerisch der Gedanke dir auch erscheinen mag«, warnte er ruhig, aber entschieden.
»Ich meine es ernst, Maeve — wenn du meine Wünsche respektierst, wenn du mich
wirklich liebst, dann wirst du dich unter allen Umständen von Neely Wallace
fernhalten!«
Maeve war erschüttert, sie zweifelt
nicht daran, daß es Aidan ernst war. Wenn sie sich in diese bedrohliche Affäre
einmischte, würde er ihr niemals vergeben, und der Gedanke an seinen Zorn war
ihr einfach unerträglich.
Und doch, trotz allem, wurde auch
sie jetzt wütend. Und sehr mißtrauisch. »Glaubst du allen Ernstes, es bestünde
Anlaß, diese Frau auch gegen mich zu verteidigen?«
Aidan blieb unnachgiebig. »Ich weiß
es nicht«, erwiderte er freimütig. »Aber ich mache mir große Sorgen um Neelys
Sicherheit. Wie du vielleicht verstehen wirst, könnte deine Anwesenheit die
Aufmerksamkeit der anderen auf Neely ziehen. Angenommen, Lisette erführe von
ihr?«
Maeve hatte schon gehört, daß
Lisette, der bösartigste, aber leider auch der mächtigste aller Vampire, ihr
Grab verlassen hatte, doch bisher hatte Maeve es für ein Gerücht gehalten. »Sei
kein Narr«, erwiderte sie. »Selbst wenn Lisette wieder unterwegs sein sollte,
wird sie bestimmt kein Interesse für jemanden wie deine bedauernswerte
Sterbliche aufbringen.«
»Sie ist keineswegs bedauernswert,
weder körperlich noch geistig«, entgegnete Aidan scharf. »Neely ist ein
zauberhaftes Wesen, wie die meisten Sterblichen, und ein Teil ihrer Schönheit
ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß sie sich ihrer Ausstrahlung nicht
einmal bewußt ist.«
Maeve betrachtete schweigend ihre
elfenbeinfarben lackierten Fingernägel. Sie war innerlich noch immer sehr
aufgewühlt, ihre äußerliche Ruhe war nur Fassade. »Du fürchtest Lisette zu
Recht«, sagte sie mit einer Gleichgültigkeit, die sie nicht empfand. Sie war
verletzt, und in ihrem Schmerz mußte sie grausam sein. »Falls deine Feinde
erfahren, daß
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