Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Vertrauen schändlich ausgenutzt und in seinen Archiven
und Papieren herumgeschnüffelt. Aber andererseits war sie auch ein hübsches,
quicklebendiges Ding, und sie zu töten wäre nicht anders, als würde man eine
Rose zerquetschen, die eben erst im Sonnenschein blühte.
»Hören Sie«, sagte er
beschwichtigend zu der gespenstischen Silhouette vor ihm, »meine Freunde beim
FBI sind allen Problemen zuvorgekommen, die sich ergeben könnten. Und Miss
Wallace hat sich seit damals nicht mehr gerührt und nicht einmal versucht, sich
zu verstecken. Sie lebt jetzt in Connecticut und hilft ihrem Bruder, eine
Autoraststätte und ein Motel zu führen. Meiner Ansicht nach sollten wie sie in
Ruhe lassen.«
»Sie hat versucht, uns alle
hochgehen zu lassen, Senator, Sie einschließlich! Wer weiß, ob sie es nicht
noch einmal versuchen wird?«
Dallas biß die Zähne zusammen und
zwang sich, eine entspannte Haltung einzunehmen. Er wollte Neely nicht sterben
sehen, obwohl sie ihn verraten hatte, aber er durfte sich diesen Leuten nicht
widersetzen. Sie hätten ihn umgebracht oder zu einem Leben als Krüppel
verurteilt, und was sollte dann aus Elaine werden? Wer würde für sie sorgen,
wenn nicht er?
Seine schöne Frau war einst vital
und aktiv gewesen, eine erfolgreiche Journalistin. Heute war sie an einen
Rollstuhl gefesselt und litt an einem unheilbaren, progressiven Muskelschwund.
Elaines Zukunftsprognosen waren düster, und er konnte sie nicht im Stich
lassen.
»Sie wissen, wo Sie sie finden
können«, sagte er und rieb sich müde die Augen. Er mußte an seine Familie
denken, an seine Wähler. Was bedeutete schon eine einzige Frau im Vergleich zu
so vielen Menschen?
Fast fünf Minuten waren inzwischen
vergangen, und Dallas befürchtete, daß der Taxifahrer seine Warnung wahrmachen
und abfahren würde, wenn er nicht bald erschien. Rasch überreichte er der
schattenhaften Gestalt vor sich ein Päckchen Dokumente, und der Mann übergab
ihm im Austausch einen dicken Umschlag.
Ich tue das alles nur für Elaine,
redete sich Dallas ein, als er sich abwandte und auf den Parkstreifen zueilte.
Aidan wusch sich, kämmte sorgfältig sein
langes Haar und zog Jeans und einen dicken Wollpullover an. Er würde heute früh
auf die Jagd gehen, diese unangenehme Aufgabe erledigen und dann den Abend an
seinem Kamin verbringen, um an seinen Niederschriften zu arbeiten.
Er schloß seine Gedanken sorgfältig
vor seiner Umwelt ab, denn zu intensives Denken an Neely würde sie an seine
Seite rufen. Das wäre für ihn sehr peinlich, weil er ihr dann eine Erklärung
bieten müßte, und für Neely, weil sie sich plötzlich in seinem Haus
wiedergefunden hätte, ohne sich zu erinnern, wie sie dort hingekommen war.
Aidan nahm einen Computerausdruck
aus dem Aktenschrank und ließ seinen Zeigefinger über eine Liste gleiten. Es
waren Namen von Männern, die Abonnenten der schmutzigsten und gemeinsten aller
Pornomagazine waren.
Rasch wählte er ein Opfer im
nächsten Distrikt aus, schloß die Augen und verschwand.
Nur wenige Minuten später war er
schon wieder zurück.
Neely vermied es im allgemeinen, sich
nachts allein der Schnellstraße zu nähern, doch heute war sie zu ratlos, um in
ihrem Wohnwagen zu bleiben. Sie empfand die Enge dort als erstickend, ihr Heim
erschien ihr an diesem Abend noch viel kleiner als sonst. Sie kam sich vor wie
eine Heuschrecke, die in einem Glasgefäß gefangen war.
Dicke Schneeflocken sanken lautlos
auf die gefrorene Erde herab und bedeckten den Asphalt mit einem weißen
Teppich. Doch obwohl Neely ein solches Wetter sonst eher als friedlich
empfunden hätte, war ihr heute fast ein bißchen unheimlich zumute.
Lächerlich, dachte sie, mich über
einen Traum, an den ich mich nicht einmal richtig erinnere, derart aufzuregen.
Aber in diesem Traum war Aidan Tremayne vorgekommen, und sie hatte eine
wundervolle, beinahe überirdisch schöne Musik gehört.
Und als wäre all das nicht schon
genug, wurde sie jetzt auch noch von dem unangenehmen Gefühl erfaßt, beobachtet
und verfolgt zu werden.
Erschauernd ging sie schneller und
blieb erst wieder stehen, als sie den Anfang der langen Einfahrt zu Aidans Haus
erreichte.
»Du bist verrückt«, sagte sie sich,
als sich auf der entgegengesetzten Fahrbahn ein Jeep näherte und seine
Geschwindigkeit verlangsamte.
Neelys Herz begann wie wild zu
klopfen und schnürte ihr die Kehle zu; keuchend stürzte sie in den Wald und
hastete durch den tiefen Schnee. Von der Schnellstraße her
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