Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
in grauen Kaschmirhosen und passendem
Pullover, die vermutlich Maeve gehörten. Sie würde sich zuerst das Haus
ansehen, dann ihre Freundin anrufen, Wendy Browning, die in London studierte,
und ein Treffen mit ihr vereinbaren. Am Nachmittag konnte sie dann, falls sie
sich danach fühlte, Kleider für sich einkaufen. Sie hatte nur das mitgebracht,
was sie im Flugzeug getragen hatte, und sie konnte sich schließlich nicht
ständig Sachen von Maeve ausleihen.
Neely fand die Treppe in den zweiten
Stock und stieg langsam hinauf. Wo in derartigen Häusern sonst die
Dienstbotenquartiere untergebracht waren, befand sich hier nur ein leerer,
zugiger Raum.
Neelys Schritte hallten von den
Wänden dieses einsamen Dachbodens wider, als sie sich dem Gegenstand näherte,
der den Raum beherrschte — ein riesiger, altmodischer Webstuhl. Jemand,
vermutlich Maeve, hatte begonnen, einen Wandteppich zu weben, doch bisher war
nichts als der Saum eines hellen, fast durchsichtigen Kleids zu erkennen,
darunter ein Teppich aus braunen und rotgoldenen Ahornblättern und eine welkende,
elfenbeinfarbene Rose.
Ein Frösteln erfaßte Neely, und sie
schlang die Arme um Ihren Körper.
Aidan, dachte Sie traurig. Wo bist du?
Auf einem Tisch an einer Wand lag ein
Stapel bereits fertiggestellter Wandteppiche, dem Neely sich jedoch nicht
näherte. Sie glaubte, bereits tief genug in Maeves Privatleben geschaut zu
haben, und außerdem war dies ein Ort der Trauer. Der Raum kam ihr plötzlich so
leblos und hoffnungslos vor wie ein Friedhof.
Rasch wandte sie sich ab und verließ
den Dachboden.
Im ersten Stock befanden sich eine
Reihe von Schlafzimmern, Bäder und ein Wohnzimmer. Neely ging ins Erdgeschoß
weiter, wo sie einen altmodischen und sehr eleganten Salon entdeckte, eine
Kombination aus Bibliothek und Arbeitszimmer, ein geräumiges Speisezimmer, die
Küche und eine Bildergalerie.
Der Morgen zog sich endlos hin, und
pünktlich um eins servierte Mrs. F. in der Küche einen Lunch aus Spiegeleiern,
Salat und eingekochtem Obst. Neely zwang sich, etwas zu essen, dann ging sie in
die Bibliothek, um Wendy Browning anzurufen.
Ein Anrufbeantworter stellte sich
ein. »Hi, hier spricht Wendy. Jason und ich sind unterwegs. Sprechen Sie eine
Nachricht auf das Band, und wir werden Sie zurückrufen. Bis dann.«
Neely lächelte, als sie ihren Namen
hinterließ und die Nummer, unter der sie zu erreichen war. Sie freute sich
schon sehr auf das Wiedersehen mit Wendy, obwohl ihr noch nicht ganz klar war,
wie sie ihrer Freundin die Zerstörung ihres Sommerhauses in Maine erklären
sollte. Vielleicht war es besser, eine Lüge zu erfinden, oder so zu tun, als
wüßte sie nicht, wie es zu der Explosion gekommen war.
Während der düstere Tag verstrich
und die Abenddämmerung sich näherte, wurde Neely immer unruhiger. Obwohl sie
die Nacht ein wenig fürchtete, freute sich sich in gewisser Weise darauf, weil
sie hoffte, daß sie ihr Aidan bringen würde. Um sich zu zerstreuen, bestellte
sie sich ein Taxi, und während sie darauf wartete, versuchte sie, sich über ihre
widersprüchlichen Gefühle klarzuwerden.
Es war durchaus möglich, daß Aidan
kam, doch genausogut konnten auch Maeve, Valerian oder andere Vampire, die sie
nicht einmal erkennen würde, in diesem Haus erscheinen. Das Taxi fuhr jedoch
vor, bevor sie das Problem gelöst hatte, und sie zog rasch ihren Mantel an und
eilte auf die Straße.
Ein Einkaufsbummel würde sie
ablenken.
Neely mied die teureren Geschäfte
wie Harrod's, die Designerläden und Boutiquen und verbrachte den Rest des
Nachmittags in einem sehr interessanten Secondhandshop namens Tea and
Sympathy.
In der hektischen Atmosphäre fühlte
Neely sich sicher und unauffällig; es gelang ihr sogar für eine Weile, zu
vergessen, daß Vampire wirklich existierten und sie sich hoffnungslos in einen
verliebt hatte.
Sie kaufte sich einen schwarzen
Rock, der angeblich einmal einer Prinzessin gehört hatte, mehrere Paare ähnlich
königlich aussehender Wollhosen, einige Pullover in hellen Farben und ein
schwarzes, paillettenbesetztes Abendkleid. Auf dem Heimweg ließ sie den
Taxifahrer vor einem Miederwarengeschäft halten, wo sie noch Unterwäsche
kaufte, Strumpfhosen und drei Nachthemden aus weichem Baumwollstoff.
Nach ihrer Rückkehr in Maeves Haus
zog Neely sich in die Gästesuite zurück, und Mrs. E kam, um ihr Tee und Plätzchen
zu bringen und das Feuer zu schüren. Neely trank ein wenig Tee aus einer
zierlichen Porzellankanne, aß zwei
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