Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
würde die schöne Vampirin sie einfach töten,
was Aidan erzürnen, gleichzeitig jedoch retten würde.
Maeve trat an den Schreibtisch, nahm
Papier und einen Stift und begann etwas zu schreiben. »Kommen Sie zu dieser
Adresse in London, so schnell wie möglich. Es ist vielleicht Ihre einzige
Hoffnung, unter meinem Schutz zu stehen.«
Neely schluckte. »London?«
wiederholte sie fassungslos. »Ja«, bestätigte Maeve gereizt. »Und beeilen Sie
sich! Die Haushälterin wird Sie einlassen. Haben Sie Geld?«
Neely nickte. »Ist Aidan dort? In
London?«
»Schön wär's«, erwiderte Maeve
seufzend. Dann hob sie die Arme und verschwand, wie Neely es schon bei Aidan
und Valerian beobachtet hatte.
»London?« murmelte sie betroffen in
dem leeren Zimmer.
Am nächsten Tag, nachdem sie sich
von Danny, Ben und Doris verabschiedet hatte, stieg Neely in Aidans Wagen und
fuhr nach New York. Sie nahm nur ihren Reisepaß mit, ihre Zahnbürste und Geld;
langsam gewöhnte sie sich daran, mit leichtem Gepäck zu reisen.
Ein weiterer Tag verging, und dann
bestieg Neely eine Boing 747 nach Heathrow Airport. Sie saß still auf ihrem
Platz, schlief oder blickte aus dem Fenster auf die weißen Wolken über dem
Atlantik. Und während des ganzen Fluges klammerte sie sich an einer schwachen
Hoffnung fest: daß sie Aidan bald wiedersehen würde.
Der Flug erschien ihr endlos, und
als die Maschine endlich landete, dauerte es immer noch eine gute Stunde, bis
die Zollformalitäten erledigt waren. Als sie endlich draußen im grauen
englischen Winterwetter stand, war sie so müde, daß sie sich kaum noch auf den
Beinen halten konnte. Zum Glück fand sie sofort ein Taxi.
Neely gab dem Fahrer die Adresse,
die Maeve ihr aufgeschrieben hatte, und ignorierte den anerkennenden Pfiff des
Mannes.
»Ein vornehmes Viertel«, sagte er.
Neely war nicht zum Plaudern
aufgelegt, aber das machte nichts, denn der Fahrer redete praktisch nonstop auf
dem Weg von Heathrow zu der stillen, eleganten Wohngegend, die ihr Ziel war.
Vor einem der imponierendsten
Patrizierhäuser, die Neely je gesehen hatte, brachte er das Taxi zum Stehen.
Das Haus war aus grauem
Granit gebaut, bestand aus drei Stockwerken und war von einem hohen,
schmiedeeisernen Zaun umgeben.
Noch während Neely auf dem Rücksitz
saß und sich fragte, wie sie in dieses Haus hineinkommen und was sie tun
sollte, sobald sie einmal drinnen war, erschien eine Frau im Vorgarten und
eilte ans Tor, um es zu öffnen.
Neely bezahlte den Fahrer, stieg aus
und blieb, als das Taxi abfuhr, staunend auf der Straße stehen.
»Miss Wallace?« fragte die Frau, als
sie das Tor aufschloß.
Neely blinzelte verwirrt. Sie hatte so
etwas wie Frankensteins Monster erwartet, aber Maeves Haushälterin war eine
rundliche, sympathische Frau mit rosigen Wangen und lustig funkelnden braunen
Augen.
»Ja«, antwortete Neely.
Die Haushälterin verneigte sich.
»Nun, dann kommen Siel« erklärte sie in einem Anflug gutmütiger Ungeduld. »Wir
wollen doch nicht hier draußen herumstehen und uns zu Tode frieren, oder?«
Trotz ihres leisen Unbehagens mußte
Neely lachen. »Nein«, sagte sie und folgte der Frau durch den Garten.
In jener ersten Nacht sah Neely
nicht viel vom Inneren des Hauses, dazu war sie zu müde und verwirrt.
Schweigend folgte sie der Haushälterin, die sich Mrs. Fullywub nannte.
»Nennen Sie mich Mrs. F.«, sagte die
Frau gutmütig und führte Neely zu einer Gästesuite im ersten Stock. »Ich bringe
Ihnen gleich Tee und Kuchen hinauf. Im Badezimmer werden Sie ein Nachthemd und
einen Morgenrock finden — es ist gleich nebenan.« Sie deutete auf eine Tür.
»Ein heißes Bad läßt selbst Tote wiederauferstehen, sage ich immer.«
Neely erwiderte nichts, da
anscheinend auch keine Antwort von ihr erwartet wurde. Sie zog ihren Mantel aus
und schaute sich in dem unglaublich pompösen Zimmer um. Ein mit Bronzestäben
vergitterter Kamin befand sich im Raum und ein Bett, das noch aus der Zeit von
Elisabeth I. stammen mußte. Die Couchen und Sessel waren in minzgrünem Samt
gepolstert, passend zur Bettdecke und den Kissenbezügen, und in einer Ecke des
Zimmers stand ein Chippendaleschreibtisch.
Wie in einem Museum, dachte Neely,
war jedoch zu müde, um der herrlichen Einrichtung mehr als einen flüchtigen
Blick zu gönnen. Sie ging ins Badezimmer und ließ sich ein heißes Bad ein, dann
streifte sie das bereitliegende Nachthemd über und sank todmüde ins Bett.
Mrs. F. brachte ihr Tee und Kuchen,
den Neely nicht
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