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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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hinweg,
absichtlich grob, wie ihm schien, und blieb in dem weichen Pulverschnee draußen
stehen. Mit einem ärgerlichen Ausruf griff sie in die Mauervertiefung und
zerrte Valerian heraus, benutzte ihre legendäre Kraft, um ihn aus seinem
schützenden Versteck zu ziehen wie ein Baby, das zu früh aus dem Mutterschoß
geholt wurde.
    Zerbrechlich wie Kristall lag
Valerian hilflos in ihren Armen, den Kopf an ihre kalte Brust gelehnt. Eine
Zeitlang stand sie nur da, wiegte ihn und murmelte ein Schlaflied, doch dann
begann sie sich über den verschneiten Boden zu bewegen.
    Auf diese Weise reisten sie, ein
schauriges Paar in einer kalten Winternacht, für mindestens fünfzehn Minuten.
Dann erkannte Valerian den ungesegneten Boden hinter den Außenmauern der Abtei
wieder, den vergessenen Ort, wo Ketzer und Mörder begraben worden waren.
Unkraut und Erde hatten längst die Grabsteine verdeckt, mit Ausnahme von einem
einzigen, der schon immer dagewesen war, aber Valerian war sich der
vermodernden Skelette und mumifizierten Leichen bewußt, die unter der Erde ruhten,
und erschauerte.
    Lisette legte ihn mitten auf diesen
trostlosen Platz, und er brachte noch immer nicht die Kraft auf, sich gegen sie
zu wehren. Sie spreizte seine Arme und Beine und nagelte sie mit einem
geistigen Befehl fest, mit Fesseln, die unnachgiebiger waren als die dicksten
Eisenketten. Und da begann er zum erstenmal so etwas wie wirkliche Furcht zu
verspüren.
    Als sie ihre Arbeit beendet hatte,
schaute sie lächelnd auf ihn herab. »Aidan wird deine Verzweiflung spüren und
dir, närrisch wie er ist, zu Hilfe eilen. Und dann werde ich ihn zerstören.«
    Valerian stöhnte und verbannte
Aidans Bild mit letzter Kraft aus seinem Bewußtsein. Wenn er nicht nach Aidan
rief, nicht an ihn dachte, würde der andere Vampir Lisette vielleicht nicht in
die Falle gehen.
    Lisette erkannte Valerians
Bemühungen und lachte verächtlich. »Ihr seid alle Idioten«, sagte sie, nachdem
ihr schrilles, schreckliches Gelächter verstummt war. »Seit wann benehmen sich
Vampire wie verliebte Menschen, retten einander und spielen Kavaliere und edle
Ritter? Wo bleibt dein weißes Pferd, Valerian?«
    Valerian erwiderte nichts. Er begann
bereits das Bewußtsein zu verlieren, spürte, wie sein Geist in die kalte Erde
eindrang und dort wie Rauch die Gebeine der Toten umgab. So schrecklich die
Vorstellung auch war, wünschte er sich jetzt doch sehnlichst, am Morgen, wenn
die Sonne aufging, so unempfindlich zu sein wie diese Toten. Die heißen
Sonnenstrahlen würden sein Fleisch verzehren wie ein Säureregen, nur sehr viel
langsamer. Noch lange, nachdem sein irdischer Körper eine rauchende Hülle war,
würde er in ihm gefangen sein und Qual verspüren, bis seine Gedanken
ausgedrückt wurden wie die Flamme einer Kerze.
    Und danach würde er sich in Dantes
Version der Hölle wiederfinden, auf der Schwelle zu einer Ewigkeit des
Leidens.
    Er stöhnte laut auf bei dieser
Vorstellung, und Lisette lachte wieder, doch dann stieß sie ein unheimliches
Kreischen aus und schrie zum nächtlichen Himmel auf: »Laß alle Vampire zu sehen,
damit sie nie vergessen, was es bedeutet, mich zu verraten!«
    Im nächsten Augenblick begann ein
sanfter, kühler Schnee zu fallen. Die weichen Flocken bedeckten Valerians
geschlossene Augen, die hohlen Stellen in seinem hageren Gesicht und an seinem
Körper, und ganz plötzlich erinnerte er sich wieder daran, wie es gewesen war,
ein menschliches Wesen zu sein, ein Junge, nicht älter als acht Jahre. Er
erinnerte sich an das Atmen und an die regelmäßigen Schläge seines Herzens; er
hörte sein eigenes Lachen, spürte es in seiner Kehle und fühlte die warmen,
geschmeidigen Muskeln in seinen Beinen, als er rannte, in einem Schneesturm wie
diesem.
    Einen winzigen Augenblick lang war
Valerian wieder unschuldig und rein, war frei und glücklich, und die gewaltigen
Mächte des Himmelreichs schauten mit gutmütiger Nachsicht auf ihn herab.
    Kurz bevor er das Bewußtsein verlor,
spielte ein Lächeln um seinen Mund.
    Aidan erwachte in Maeves Keller,
ausgeruht nach einem ganzen Tag ungestörten Schlafs und fest entschlossen,
Neely aus dem Weg zu gehen, solange es nur möglich war. Er wußte, daß die
Bruderschaft ihn überwachte, obwohl sie ihm die Illusion ließ, daß er frei war,
während die Ältesten über sein Schicksal entschieden. Auf keinen Fall wollte
er ihre Aufmerksamkeit auf die Frau lenken, die er liebte.
    Mit einem Blinzeln versetzte er sich
in sein Zimmer

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