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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Gehässigkeit in Helenas Stimme war Verlaß. Aber für einen befreiten Sklaven kann es sogar tröstlich sein, wenn er von einer Frau angeherrscht wird.

XXX
    Wieder wach.
    Das Opium war verflogen. Sobald ich mich bewegte, schoß mir der Schmerz in die Glieder. Eine rote Tunika, an der Schulter von der Äskulapnatter mit dem Stab zusammengehalten, beugte sich über mich – und verschwand wieder, sobald ich ihm in die Augen sah. Diesem Mann fehlte im Umgang mit Kranken jedes Gespür: er mußte der Obersanitäter sein. Hinter ihm reckten Schüler die Hälse wie verängstigte Entenküken, die ihrer Mutter nachdrängeln.
    »Sag mir die Wahrheit, Hippokrates!« witzelte ich. Nie sagen sie einem die Wahrheit.
    Er fingerte an meinen Rippen herum wie ein Geldwechsler an seinem Rechengestell. Ich schrie auf, aber nicht, weil er kalte Hände hatte.
    »Die Beschwerden … werden noch einige Monate anhalten. Er muß sich auf allerlei Schmerzen gefaßt machen. Keine wirklichen Probleme, falls er um eine Lungenentzündung herumkommt …« Er klang fast enttäuscht. »Der Patient ist sehr geschwächt; es besteht die Gefahr von Wundbrand im Bein.« Mir sank das Herz. »Am besten amputieren wir, solange er noch einigermaßen bei Kräften ist.« Ich starrte ihn mit einem gequälten Blick an, der ihn erst richtig munter machte. Wußten Sie, daß die Chirurgenausbildung zum großen Teil darin besteht, zu lernen, wie man die Schreie überhört?
    »Warum nicht abwarten, wie es sich entwickelt!« krächzte ich.
    »Das hat Ihre junge Frau auch gemeint –« Plötzlich klang er ziemlich respektvoll; wahrscheinlich hatte ihn die Begegnung mit jemandem, der noch schlechtere Manieren als er besaß, beeindruckt.
    »Sie ist nicht meine Frau! Wollen Sie mich beleidigen?« protestierte ich und versuchte nicht an das zu denken, was er davor gesagt hatte. Aber ich kam nicht darum herum. »Also, wenn es sein muß – nehmen Sie sich das Bein! «
    Ich schlief ein.
     
    Wieder weckte er mich.
    »Flavius Hilaris will Ihnen ein paar dringende Frage stellen. Geht das?«
    »Sie sind der Arzt!«
    »Was soll ich denn machen?«
    »Mich in Ruhe lassen.«
    Ich schlief wieder ein.
     
    Nie lassen sie einen in Ruhe.
    »Marcus –« Das war Flavius Hilaris. Er wollte von mir selbst noch einmal alles hören, was ich ihm durch Rufrius Vitalis längst mitgeteilt hatte. Höflicherweise erwähnte er nicht, daß er ein förmliches Protokoll brauchte, falls ich bei der Operation starb – ich verstand es auch so.
    Ich sagte ihm alles, was ich wußte. Schon, damit er mich in Ruhe ließ.
    Was die Verschwörung anging, so erzählte mir Gaius, Triferus verweigere die Aussage. Es war jetzt mitten im Winter, die Berge tief verschneit und keine Möglichkeit, die Wagen, die nach Süden abgebogen waren, zu verfolgen – jeglicher Verkehr war zum Erliegen gekommen, wahrscheinlich für viele Wochen. Gaius hatte Triferus in eine Zelle sperren lassen und wollte später zusammen mit mir einen neuen Versuch machen. Ich sollte zur Genesung nach Aquae Sulis gebracht werden – falls ich am Leben blieb.
    Er saß lange an meinem Bett und hielt meine Hand; er schien beunruhigt. Er habe nach Rom geschrieben, erzählte er, und empfohlen, man möge mein Honorar verdoppeln. Ich lächelte. Nach dreißig Jahren im Staatsdienst hätte er wissen können, daß es zwecklos war. Vor langer Zeit hatte ich einmal gedacht: Er könnte es sein! Ich lächelte wieder.
    Und schlief wieder ein.
     
    Der Chirurg hieß Simplex. Wenn sie sich mit ihrem Namen vorstellen, weiß man, daß die Behandlung, die sie vorhaben, bestenfalls ein riskantes Spiel und schlimmstenfalls tödlich ist.
    Simplex war seit vierzehn Jahren beim Heer. Er konnte einen sechzehnjährigen Soldaten, dem ein Pfeil im Kopf steckte, beruhigen. Er konnte Blasen auf der Haut verschließen, die Ruhr kurieren, Augen spülen und sogar Entbindungen vornehmen, nämlich bei den Frauen, die die Legionäre eigentlich nicht haben sollten. Aber das alles langweilte ihn. Jetzt war ich sein Lieblingspatient. Zu seiner Sammlung von Spateln, Skalpellen, Sonden, Scheren und Pinzetten gehörte auch ein glänzender Hammer, groß genug, um damit einen Zaunpfahl in den Boden zu rammen. In der Chirurgie wurde er dazu benutzt, bei Amputationen den Meißel in Soldatengelenke zu treiben. Der Meißel selbst war ebenfalls da – und die Säge: ein kompletter Werkzeugkasten, und alles lag auf einem Tisch neben meinem Bett.
    Sie betäubten mich, aber es reichte nicht aus.

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