Silberschweine
Flavius Hilaris wünschte mir Glück und verschwand aus dem Zimmer. Ich werfe es ihm nicht vor. Ich wäre selbst mitgegangen, wenn man mich nicht festgeschnallt hätte und wenn mich nicht vier baumlange Kavalleristen mit starren Mienen an Schultern und Füßen festgehalten hätten.
Durch den Drogennebel sah ich Simplex auf mich zukommen. Ich hatte es mir inzwischen anders überlegt. Mir war klargeworden, daß er nichts weiter als ein fanatischer Knochenklempner war. Ich wollte etwas sagen; aber ich bekam keinen Ton heraus. Ich versuchte zu schreien.
Jemand anderes schrie: eine Frauenstimme.
» Hören Sie sofort damit auf. «Helena Justina. Ich hatte nicht bemerkt, daß sie hereingekommen war. »Das ist doch gar kein Wundbrand!« schimpfte die Tochter des Senators. Offenbar geriet sie immerzu und überall in Wut. »Man sollte meinen, ein Heeresarzt weiß das – Wundbrand hat einen ganz bestimmten Geruch. Die Füße von Didius Falco riechen vielleicht ein bißchen käsig, aber doch nicht so schlimm!« Eine wunderbare Frau; ein Privatermittler in der Klemme konnte sich auf sie verlassen. »Er hat Frostbeulen. In Britannien ist das nichts Besonderes – heißer Rübenbrei ist alles, was er braucht! Zieht ihm das Bein so straff, wie ihr könnt, und dann laßt ihn in Ruhe; der arme Kerl hat genug gelitten! «
Erleichtert fiel ich in Ohnmacht.
Zweimal versuchten sie, mir das Bein geradezuziehen. Beim ersten Mal zermalmte ich den Stoffwulst zwischen meinen Zähnen und brachte vor Entsetzen keinen Ton heraus, während mir die Tränen an beiden Seiten des Halses herunterliefen. Beim zweiten Mal wußte ich, was kam; beim zweiten Mal schrie ich.
Jemand schluchzte.
Ich röchelte, aber bevor ich erstickte, nahm mir eine Hand – wahrscheinlich gehörte sie einem der schweren Jungs, die mich festgehalten hatten – den Wulst aus dem Mund. Ich war in Schweiß gebadet. Jemand machte sich die Mühe, mir das Gesicht abzutupfen.
Gleichzeitig wehte mir ein würziger, belebender Duft entgegen, herrlich wie jenes Balsam, das für die Könige der Parther aus den Essenzen von fünfundzwanzig verschiedenen Ölen gebraut wird. (Im Land der Parther bin ich nie gewesen, aber jeder Freizeitdichter weiß alles über ihre Herrscher; mit ihnen lassen sich fußlahme Oden leicht wieder in Schwung bringen.)
Es war kein Königsbalsam, und dennoch ein wunderbarer Duft. Ich weiß noch, wie mir damals der Gedanke durch den Kopf ging: einige dieser Zwei-Zentner-Kavalleristen sind doch anders, als man denkt …
XXXI
In Aquae Sulis verbrachte ich fünf Wochen. Der Leibarzt des Prokurators kümmerte sich persönlich um mich. Die heißen Quellen, die aus dem Felsen sprudelten, befanden sich in einem Heiligtum, in dem einige verwirrte Kelten immer noch ihrem Gott Sul das Kleingeld opferten und dabei mit toleranter Miene die nagelneue Steintafel anschauten, auf der zu lesen stand, daß die römische Minerva neuerdings die Leitung in diesem Lokal übernommen habe. Auch hier regierte jene verstohlene, als Religion verkappte Geschäftemacherei, der man bei allen Heiligtümern begegnet. Rom hatte die frühere Grundausstattung teilweise erneuert und ein sauberes, mit Blei ausgekleidetes Becken installiert; trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, daß aus diesem Ort jemals etwas werden würde. Oh, Pläne hierfür gab es, aber Pläne gibt es immer. Man saß in einem Becken voller Sand, den die Quelle mit hereinspülte, trank schales, lauwarmes Wasser voller ekelhaft schmeckender Mineralien und beobachtete die Landvermesser, die mit roten Nasen zwischen den Felsklippen herumstiefelten und sich gegenseitig davon zu überzeugen versuchten, daß diese Stelle für einen pulsierenden Kurort goldrichtig sei.
Wir spielten viel Dame. Ich mag dieses Spiel nicht besonders, und ich hasse es, wenn ich gegen einen ägyptischen Arzt spielen soll, der immer gewinnt. Aber Ende März in Britannien, in einem Kurort, der nur auf dem Reißbrett existierte, gab es nicht viel Abwechslung. Ich hätte den Frauen nachstellen können, aber die Frauen hatte ich aufgegeben. Und selbst wenn ich eine erwischt hätte, wäre es mir in meinem damaligen Zustand schwergefallen, etwas mit ihr anzustellen, das ihr gefallen hätte.
Die heißen Quellen halfen, aber während ich in ihnen badete, starrte ich mit finsterer Miene Löcher in die Luft. Die Knochen mochten heilen, doch meine Sklavenseele niemals. Der Arzt des Prokurators erzählte, er habe von dem Wasser Hämorrhoiden bekommen.
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