Silberschweine
Schuhen, die durch die Volants am Saum ihres Gewandes glitzerten. Dieses Kleid war aus grüner Seide und ließ ihre Arme frei. Sie wirkte wie eine kühle, hochgewachsene, überlegene Najade.
Ich sah weg. Ich sah wieder hin. Ich räusperte mich.
Mit heiserer Stimme gestand ich ihr, ich sei noch nie mit einer Najade ausgegangen. »Am Strand von Bajä bestände die Gefahr, daß irgendein salziger Meeresgott Sie aufs Kreuz legt und auf einer Matratze aus Blasentang seine Lust an Ihnen kühlt!«
Dann würde sie ihm mit seinem Dreizack in die Flosse stechen, meinte sie, worauf ich entgegnete, es wäre trotzdem einen Versuch wert.
Wir schlossen uns der Menschenschlange an, die sich langsam auf den Speisesaal zubewegte. Der Weg führte durch Neros groteske Korridore, wo die Pilaster, die Rundbögen und Decken mit solchen Mengen von Gold verziert waren, daß alles zu einem schimmernden Farbenrausch zusammenfloß. Die Deckengemälde – Faune und Putten, die sich in rosenumrankten Lauben tummelten – waren so sorgfältig und bis in die letzten Feinheiten ausgeführt, daß, sobald die Gerüste des Malers abgeräumt waren, niemand sie mehr wirklich zu würdigen vermochte – ausgenommen die Fliegen und Nachtfalter, die auf ihnen herumkrabbelten. Vor lauter Luxus konnte ich nicht mehr klar sehen, ich war geblendet, als hätte ich in die Sonne gestarrt.
»Sie haben sich ja das Haar schneiden lassen!« murmelte Helena, während wir langsam nebeneinander hergingen.
»Gefällt es Ihnen?«
»Nein«, erwiderte sie. »Mit Locken haben Sie mir besser gefallen.«
Jupiter sei Dank, sie war noch bei sich. Ich starrte nun meinerseits mißmutig auf ihren modisch ausgefransten Haarknoten.
»Nun, meine Liebe, da wir gerade von Locken reden: Sie gefallen mir besser ohne! «
Vespasians Bankette waren äußerst altmodisch; die Serviererinnen behielten die Kleider an, und nie vergiftete er die Speisen.
Vespasian war kein sehr eifriger Gastgeber. Zwar veranstaltete er regelmäßig Bankette, aber er tat das, um seine Gäste bei Laune zu halten und das Dienstleistungsgewerbe zu unterstützen. Als Republikaner war ich jedoch nicht bereit, mir imponieren zu lassen. Im Gegenteil, die Teilnahme an einem der reibungslos ablaufenden Dinners des Kaisers machte mich verdrießlich. Ich bestreite auch jede Erinnerung an die Speisenfolge; ich rechnete die ganze Zeit über mit, was das alles gekostet haben mußte. Zum Glück saß Vespasian so weit von mir entfernt, daß ich ihm meine Meinung zu diesem Punkt nicht sagen konnte. Er wirkte ziemlich still. Nach allem, was ich über ihn wußte, rechnete er ebenfalls mit, welcher Schaden seiner Privatschatulle entstand.
Während ich mich beharrlich weigerte, das, was ich aß, auch zu genießen, tippte mir ein Zeremonienmeister auf die Schulter. So geschickt und so plötzlich holte man Helena Justina und mich von der Tafel weg, daß ich noch eine Hummerschere in der Hand hielt, während sie auf einem Stück Tintenfisch herumkaute. Ein Garderobensklave half mir in die Toga und brachte innerhalb von fünf Sekunden jenen würdevollen Faltenwurf zustande, für den ich zu Hause eine Stunde gebraucht hatte; ein Schuhjunge sorgte für die würdige Bekleidung unserer Füße; ein anderer Mann führte uns in einen verschwenderisch ausgeschmückten Vorraum, zwei Speerträger traten zur Seite und machten den Weg zu einer Bronzetür frei, ein Türsteher öffnete sie, unser Führer nannte einem Kammerherrn unsere Namen, der Kammerherr teilte sie seinem Pagen mit, und dieser verkündete sie laut und deutlich, bloß, daß er beide nicht richtig verstanden hatte und hierdurch die im übrigen höchst eindrucksvolle Wirkung zunichte machte. Wir traten ein. Ein Sklave, der bisher untätig geblieben war, fand sich bereit, die Reste meiner Hummerschere zu übernehmen.
Ein Vorhang fiel und dämpfte die Geräusche von draußen. Ein junger Mann – ein Mann in meinem Alter, nicht sonderlich groß, mit einem vorspringenden Kinn, das bereits überall in Rom Anlaß zu Marmorkopien gab – schnellte aus einem mit Purpur bezogenen Sessel hoch. Sein Körper wirkte hart wie Stahl; seine Energie entlockte mir ein Ächzen. Mit einer knappen Handbewegung entließ er die Diener, die uns begleitet hatten, und näherte sich uns mit raschen Schritten.
»Bitte treten Sie ein! Didius Falco? Ich wollte Sie wegen Ihrer Bemühungen im Norden beglückwünschen.«
Helena hätte mir keinen Knuff zu geben brauchen. Ich wußte sofort, wer er war,
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