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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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inzwischen nah genug herangerückt war und sie schlief, schien es mir ebenso natürlich, ihr einen behutsamen Kuß auf die Stirn zu drücken, bevor ich selbst in den Schlaf sank.
    Sie regte sich.
    Sie war die ganze Zeit wach gewesen.
    »Tut mir leid!« M. Didius Falco war etwas verlegen. »Ich dachte, Sie schlafen.«
    Ich flüsterte, obwohl es nicht nötig gewesen wäre, denn es war unüberhörbar, daß auch das verdammte Pferd noch hellwach war. In das unablässige Scharren seiner Hufe mischte sich jetzt Helenas skeptisches Gemurmel: »Gehört der Gutenachtkuß auf die Stirn zu den Dienstleistungen, die Ihre Auftraggeberinnen später auf der Rechnung wiederfinden?«
    »Mehr konnte ich nicht erreichen«, gab ich zur Antwort. »Aber wenn ich mit einer Dame in einer Gartenhütte lande, ist der Kuß selbstverständlich gratis.«
    Die Tochter des Senators stützte sich auf einen Ellbogen und sah mich an. Ich hielt sie noch immer umfaßt und wollte doch nicht wahrhaben, wie sehr die Nähe ihres Körpers in mir brannte.
    Mit offenem Haar sah sie anders aus als sonst, und vielleicht war sie es auch. Ich wußte nicht, ob ich es mit einem neuen Menschen zu tun hatte oder mit der Frau, die Helena Justina immer gewesen war. Aber ich wußte, daß mir die Frau von heute abend sehr gefiel.
    »Und wie oft kommt so etwas vor, Falco?«
    »Nicht oft genug!«
    Ich blickte auf und erwartete harte Worte. Aber ihre Miene war überraschend mild. Ich lächelte reumütig. Und als mein Lächeln langsam verblaßte, da beugte sich Helena Justina nach vorn und küßte mich.
    Ich schob ihr meine freie Hand ins Haar, um sie nötigenfalls daran zu hindern, wieder wegzurücken, aber sie versuchte es gar nicht. Nach einem Erdzeitalter wonnevoller Ungläubigkeit fiel mir ein, daß ich irgendwann mal wieder Luft holen mußte.
    »Tut mir leid!« sagte sie. Aber es tat ihr genausowenig leid wie mir. Ich wollte sie wieder an mich ziehen, aber sie war schon da.
    Bisher waren meine Begegnungen mit Frauen stets durch den strategischen Einsatz von diversen Weinkrügen und allerlei plumpen Scherzen vorbereitet worden, um dann in einem von mir choreographierten Ballett zu kulminieren, in dessen Verlauf ich meine Partnerin in irgendein bereitstehendes Bett pirouettierte. Die Erfahrungen von Didius Falco auf diesem Gebiet waren allerdings weniger reichhaltig und sehr viel weniger interessant, als man aufgrund ständiger Anspielungen vermuten könnte, doch zu meiner Ehre sei gesagt, daß es mir in aller Regel gelang, ein Bett bereitzuhalten.
    Jetzt küßte ich, ohne es eigentlich gewollt zu haben, Helena so, wie ich sie schon seit langem – seit wann eigentlich? – hatte küssen wollen. Ihr sanfter Blick ruhte auf mir. Also küßte ich weiter – so, wie ich sie schon in Massilia und in jeder Nacht unserer tausend Meilen hätte küssen sollen –, und sie erwiderte meinen Kuß, bis ich wußte, daß es diesmal keiner von uns für einen Fehler hielt. Ich hielt inne.
    »Wir stören das Pferd …« Eine der ersten Lebensregeln die der Mann lernt, besagt, daß man einer Frau nie die Wahrheit sagen soll. Aber ihr sagte ich immer die Wahrheit; ich hatte es immer getan und würde es immer tun. »Helena Justina, ich habe es aufgegeben, Frauen zu verführen.« Ich hielt ihr Gesicht zwischen beiden Händen, so daß ihr Haar nicht nach vorn fallen konnte.
    Sie sah mich ernst an. »Haben Sie das den Göttern versprochen?«
    »Nein – mir selbst.« Für den Fall, daß sie es als Beleidigung auffaßte, küßte ich sie noch einmal.
    »Warum erzählen Sie mir das?« Sie fragte nicht, warum ich mir dieses Versprechen gegeben hatte, und das war gut so, denn ich wußte es selbst nicht.
    »Ich möchte, daß Sie mir glauben.«
    Helena gab mir einen behutsamen Kuß. Meine Hand suchte ihre Hand; ihre kühlen Finger verwoben sich mit meinen. Einer ihrer nackten Füße freundete sich mit meinem an, und dabei fragte sie: »Wollen Sie dieses Versprechen halten?«
    Ohne etwas zu sagen (sie küßte mich gerade schon wieder), schüttelte ich den Kopf, und verschiedene Begleitumstände nötigten mich wenig später, einzugestehen: »Ich glaube, ich kann es gar nicht halten.« Es war lange her, daß ich eine Frau derart heftig begehrt hatte, und fast hatte ich vergessen, wie schmerzhaft körperliches Verlangen sein kann. »Und heute nacht will ich auch nicht …!«
    »Marcus Didius Falco, du verführst mich doch gar nicht«, lächelte Helena Justina und löste mein moralisches Dilemma mit jener

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