Silberschweine
Freundlichkeit, die ich an ihr so lange Zeit gar nicht wahrgenommen hatte. »Ich tue was ich kann, um dich zu verführen!« Daß sie ein freimütiges Mädchen war, hatte ich immer gewußt.
Ich habe nicht die Absicht, zu schildern, was dann geschah. Das ist eine Sache zwischen mir und ihr – und dem Pferd des Gärtners.
XLVIII
Es war zwei Stunden vor Sonnenaufgang, und die meisten Menschen in Rom schliefen. Sämtliche Fuhrwerke und Karren hatten sich auf ihre Abstellplätze zurückgezogen. Die Nachtschwärmer waren durch die hinterhältige Finsternis tapfer nach Hause getrottet; Huren und Strichjungen legten neben ihren schnarchenden Freiern ein kurzes Nickerchen ein; in den Palästen und Mietshäusern war kaum noch Licht. Es war so kalt, daß feine Nebelschleier durch die Senken zwischen den Sieben Hügeln zogen, aber als ich aufwachte, war mir warm. Ich spürte, wie mich die kräftige Zuversicht eines Mannes durchrieselte, der zu der Überzeugung gelangt ist, daß das Mädchen in seinen Armen die Frau seines Lebens ist.
Ich blieb ruhig liegen und dachte zurück. Ich betrachtete ihr schlafendes Gesicht, das mir plötzlich so vertraut erschien und im tiefen Schlummer doch seltsam fremd. Ich wußte, ich würde sie nicht halten können und würde sie nie wieder schlafend sehen. Aber der Gedanke, sie gehen zu lassen, war unerträglich.
Sie erwachte und senkte sofort den Blick. Sie war verzagt – nicht wegen dem, was wir getan hatten, sondern weil sie befürchtete, in mir habe sich etwas verändert. Ihre Hand streifte mich an einer etwas privaten Stelle; ich sah, wie sich ihre Augen überrascht weiteten, und wie sie sich wieder beruhigte. Ich lächelte sie an.
»Helena …« Ich studierte ihr verschlossenes Gesicht. Ein Bildhauer hätte vielleicht daran herumgekrittelt, aber in meinen Augen war sie schön. Und wenn Bildhauer ein bißchen Verstand hätten, würden sie sich sowieso einen Beruf suchen, bei dem mehr herausspringt. »Du sagst ja gar nichts?«
Nach einer Weile antwortete sie in ihrer aufrichtigen Art: »So wie letzte Nacht soll es wohl sein, oder?«
Damit hatte sie mir jedenfalls etwas über Pertinax gesagt. Ich antwortete ihr ebenso zurückhaltend.
»Das glaube ich auch.« Und damit hatte ich ihr etwas über mich gesagt, falls sie sich für mein Vorleben interessierte.
Ich begann zu lachen – mit ihr über mich, über das Leben.
»O Helena, Helena! … Ich habe letzte Nacht ein paar herrliche Dinge über die Frauen erfahren!«
»Und ich über mich!« antwortete sie und legte sich mein Handgelenk vor die Augen. Sie wollte mich nicht sehen lassen, was sie fühlte.
Trotz ihrer Zurückhaltung oder gerade deswegen wollte ich, daß sie mich verstand. »Es ist, wie wenn man eine fremde Sprache erlernt: man schnappt ein paar Vokabeln auf, eignet sich ein bißchen Grammatik an und einen scheußlichen Akzent, mit dem man sich noch gerade eben verständlich machen kann; jahrelang müht man sich damit ab, und plötzlich, ohne Vorwarnung, gerät alles in Fluß und man begreift, wie es funktioniert –«
»Hör auf, Falco –!« Sie brach ab; sie war mir entglitten.
»Sag doch: Marcus!« bat ich, aber sie schien es kaum zu hören.
Sie schwieg. Dann raffte sie sich wieder auf: »Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen! Wir haben eine angenehme Art von Zeitvertreib gefunden –« O Jupiter, sie verstummte schon wieder! Doch dann wurde ihre Stimme fester: »Es war wunderbar, letzte Nacht. Du mußte es bemerkt haben. Aber ich sehe doch was los ist: jeder Fall ein Mädchen, jeder neue Fall ein neues Mädchen –«
Mit bleierner Stimme antwortete ich: »Du bist nicht irgendein Mädchen in irgendeinem Fall!«
»Was bin ich dann?«
»Du bist du!« Ich konnte es ihr nicht sagen.
Ich konnte nicht glauben, daß sie es nicht wußte.
»Wir sollten jetzt gehen.«
Ich haßte die Unnahbarkeit in ihrer Stimme. Und ich wußte warum – bei allen Göttern, ich wußte es! Anderen gegenüber hatte ich es genauso gemacht. Diese Härte – so unfreundlich, und doch so vernünftig! Ein rascher Abschied, vor lauter Angst, eine Stunde der Leidenschaft könnte zum Vorwand für eine lebenslange qualvolle Gebundenheit werden, die man nie gewollt hatte …
Aber darin bestand ja die Paradoxie. Zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich alles, was dazugehörte, alles, was eine Frau sich wünschen mochte. Aber ausgerechnet bei diesem einen entscheidenden Mal konnte Helena es entweder nicht glauben – oder sie wollte sich mir um
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