Silberschwester - 14
klingt«, beeilte Sarras sich zu ihrer Beruhigung zu
sagen. »Wir wissen, wo sich die Klinge befindet, und sie ist auch alles andere
als groß: nur ein Dolch von etwa einem Fuß Länge, mitsamt dem Griff. Du musst
nur hin und ihn dir holen, und nicht einmal allein. Zauberer Logas und ich
begleiten dich, und wir haben drei Diener mit, die Proviant und Ausrüstung
tragen. Dem früheren Hüter hat es ja beliebt, in dem Gebirge nördlich von hier
Wohnung zu nehmen, aber bis dorthin ist es nur etwa eine Tagesreise.«
»Wenn Ihr ja
wisst, wo die Klinge ist, hohe Frau«, erwiderte Alyssa mit allem Respekt, »wozu
braucht Ihr dann mich?«
»Weil doch nur
du damit umgehen kannst«, erklärte Logas.
»Aber ich kann
nicht einfach fort von hier!«, protestierte Alyssa. »Es ist meine Pflicht,
diese Herrschaft zu verwalten und in Schwung zu halten. Meine Eltern wären sehr
böse, wenn ich ohne ihre Einwilligung verreise, wohin auch immer!«
»Das hier
dürfte jeden ihrer möglichen Einwände hinfällig machen«, versetzte er und
reichte ihr eine Schriftrolle mit dem königlichen Siegel.
Alyssa öffnete
sie – eine an sie gerichtete Order, alles in ihrer Macht Stehende zur
Unterstützung ihrer Eminenzen, des Großmagiers Logas und der Magierin Sarras,
zu tun. Missmutig musterte sie das Pergament. »Und Ihr könntet mich sicher mit
Eurer Magie zwingen zu tun, was Ihr wünscht!« Sie wusste gut, dass sie
unhöflich war – konnte sich nun aber irgendwie nicht bremsen. »Nein«,
widersprach Sarras jetzt prompt. »Auch wenn uns das möglich wäre, verbietet uns
unser Gelübde, gegen den Geist einer Person, ohne deren Erlaubnis oder wider
ihren Willen Zauber einzusetzen. Das gälte als schwarze Magie.«
Alyssa biss
sich auf die Lippen. »Und wie kämen wir an den Ort mit der Klinge?«, fragte sie
dann.
»Zu Fuß«,
sagte Sarras. »Wie gesagt, es ist nicht weit von hier.«
»Ich weiß
nicht, ob ich dafür die richtige Kleidung habe«, erwiderte sie nervös. »Ich war
ja noch nie außerhalb dieses Landes.«
Sarras und
Logas wechselten einen langen Blick – als ob sie, so Alyssas Eindruck, eine
rechte Unterhaltung führten, ohne doch ein einziges Wort zu äußern.
»Es findet
sich sicherlich etwas für dich zum Anziehen«, sagte Sarras, »und wir werden
gemächlich reisen, wenn nötig. Der Schnee ist ja schon geschmolzen, so geht es
sich auch nicht zu schwer. Du kannst es schaffen, Alyssa, das weiß ich.«
»Wenn du
meinst, hohe Frau«, erwiderte die – und wurde sich plötzlich bewusst, dass ihr
hier zum ersten Mal in ihrem Leben jemand in Amt und Würden gesagt hatte, sie
könnte etwas tun –statt ihr zu sagen, dass sie dazu nicht fähig sei.
»Würdest du
mir denn die Burg zeigen, Fräulein?«, fragte Sarras. »Ich würde sie gern kennen
lernen.«
»Aber gern,
meine Dame«, hauchte Alyssa und fuhr, mit Blick auf die zwei Herren, fort: »Ich
schicke den Haushofmeister, dass er Euch auf Eure Gemächer bringt!«
»Ich bräuchte
einen Schreibtisch, Papier, Federn und Tinte«, vermerkte Fitzroy
wichtigtuerisch. »Ich muss an meinem Epos weiterarbeiten.«
»Man wird sich
darum kümmern«, versprach Alyssa. »Bitte hier entlang, meine Dame.«
Frau Sarras zeigte ein höchst
schmeichelhaftes Interesse für die alltägliche Verwaltungsarbeit in der Burg
und schien von Alyssas Leitungsqualitäten recht beeindruckt. »Du führst den Hof
sehr gut.«
»Das könnte
jede, das ist ja nicht schwer«, erwiderte Alyssa achselzuckend. »Und es ist das
Einzige, wozu ich tauge. Mein Vater sagt immer, sollte ich in den Himmel
kommen, wäre das der sicherste Beweis für Gottes Gnade und Barmherzigkeit, da
ich ja nichts täte, um mir seine Gunst zu erwerben.«
Sarras
runzelte die Brauen. »Hätten deine Eltern vielleicht lieber einen Jungen
gehabt?«
Alyssa nickte.
»Meine auch«,
lächelte Sarras. »Zum Glück erwies ich mich als magiebegabt. Wenn ich nicht mit
fünfzehn aufs Magierkolleg gegangen wäre, hätte ich mich eines Tages wohl
umgebracht.« Sie warf Alyssa einen forschenden, fragenden Blick zu. »Hast du je
an dergleichen gedacht?«
»Mich
umbringen?«, sagte Alyssa achselzuckend. »Manchmal täte ich es ja am liebsten,
aber ich werde es niemals tun. Es ist eine Sünde! Und … wer würde sich um die
Burg kümmern, wenn ich tot wäre?«
»So halten
dich Glaube und Pflichtgefühl am Leben?«, fragte Sarras, der ihre Antwort
offenbar gefallen hatte.
»Ich meine
doch. Aber ich habe nie viel darüber nachgedacht, dazu habe
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