Silberschwester - 14
gesagt … das hoffte sie, und auch, dass sie sich nicht aus Stolz und
Hochmut selbst täuschte.
»Das mag sein,
aber es bringt ja nichts Gutes, Wechselbälge aufzuziehen, und ich würde meine
Pflicht, meine Schuldigkeit gegenüber meinem Mann verletzen, ließe ich es zu,
dass er ein Kind der Unsichtbaren als sein eigenes aufzöge!«
»Wenn es
Wechselbälge wären«, warf Halla ein, »müsste man die Haldre dazu bringen, sie
zurückzunehmen … Der Cousine meiner Mutter haben die Hügelleute ein Kind
geraubt, und sie hat es heil und unversehrt zurückbekommen.«
»Aber woher
wussten sie das?« – »Wie haben sie es angefangen?«, rief plötzlich alles
durcheinander.
»Man legt das
Kind auf den Boden und kehrt darum herum, drei Nächte hintereinander, nicht
wahr?«, sagte Bera sogleich, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen.
»Aber in der dritten Nacht schafft man das Kind samt dem Kehricht hinaus auf
den Müllhaufen. Und dann kommt die Haldremutter mit dem gestohlenen Kind und
beschwert sich, dass man mit dem ihrigen so übel umspringe, wie sie es mit dem
fremden nie getan, und dann kann man den Tausch rückgängig machen!«
»Doch!«, rief
Halla und nickte nachdrücklich. »Genau so habe ich es auch gehört!«
Bera erwiderte
Borglinds Blick mit ruhigem, glattem Lächeln. Den Kindern würde es ja nicht
schaden, wenn man sie auf den Boden bettete. Es gab andere Wechselbalgproben,
die weniger schonend waren – darunter auch welche mit Feuer oder Wasser. Ihr
Lächeln beruhigte auch Devorgilla, die, mit der Kleinen an der Brust, bereits
ängstlich von einer Frau zur anderen geblickt hatte …
»Sollen wir
das dann machen?«, fragte Bera und lächelte eine Spur breiter, als Borglind
bloß den Mund öffnete und wieder schloss, da ihr offenbar kein Gegenargument
einfiel. »Halla, bring mir doch einen Besen!«
Am nächsten
Morgen aber wurde Bera klar, dass sie die Gefahr nur aufgeschoben, aber nicht
aufgehoben hatte … Denn indem sie sich bereit erklärt hatte, Devorgillas
Zwillinge dieser Probe zu unterziehen, hatte sie stillschweigend eingeräumt,
Borglinds Vorwurf könnte berechtigt sein – und das genügte, die bösen Zungen
auf viele Meilen im Umkreis in Bewegung zu setzen.
»Die Hälfte
der Leute glauben ja jetzt schon, dass die Kinder vertauscht sind – und die
bleiben dabei, ob nun eine Trollin erscheint, sie zurückzuholen, oder nicht«,
sagte sie in der Nacht, als sie, nach dem zweiten Kehren, zu Füßen der Völva
vor dem Kamin saß und die Wärme des Kohlenfeuers genoss, die nun, im schon
recht vorgerückten Herbst mit seinen frischen Nächten, doch überaus willkommen
war.
»Bist du dir
denn so sicher, dass die Kinder Menschen sind?«, fragte die Seherin darauf.
»Ich habe sie
gewaschen und gewickelt, kaum dass sie aus der Mutter Schoß gekommen waren. Ich
kenne jedes Haar auf ihren Köpfen … Und mein Fleisch kennt sie, Groa, als ob
sie meine eigenen wären!«
»Aber es sind
nicht deine. Vergiss das nicht, wie immer auch die Dinge hier ausgehen mögen!«
Bera nickte.
»Ich werde das nicht vergessen«, beteuerte sie, löste ihren Blick dann von dem
ihrer Meisterin und richtete ihn auf die an der Wand aufgehängten Figuren und
Figürchen. Liegt es am Flackern des Lichts, fragte sie sich, oder aber am
leichten Luftzug, dass sie sich zu bewegen scheinen? Und sie sagte sich, dass
es nun auf ihre persönlichen Gefühle nicht ankam, solange nur die Zwillinge
überlebten.
»Ein Gutes hat
das aber doch gebracht«, fuhr sie dann fort. »Als Borglind sich plötzlich so
freundlich verhielt, hatte ich keinen Grund, ihr zu misstrauen, aber jetzt, da
sie ihre Feindseligkeit offen gezeigt hat, frage ich mich schon, was denn in
diesen Suppen und Eintöpfen war, die sie Devorgilla mit so viel Mühe und
Sorgfalt gekocht hat. Sicherlich war es auch kein Haldre, der mein übers Bett
gehängtes Stück Eisen wieder entfernt hat! Halla und ich sehen nun darauf, dass
die Irin nur das isst, was wir für sie zubereitet haben, und wir geben den
beiden Kleinen ein bisschen Ziegenmilch zu trinken, bis ihre Brüste selbst mehr
hergeben. Sie schlafen ja jetzt schon besser!«
»Vielleicht
wird das die Zweifler zufrieden stellen«, meinte Groa, aber doch wohl ohne
rechte Überzeugung.
»Und wenn
nicht, hilfst du uns dann mit deinen Kräften und Mächten?«, fragte Bera und sah
wieder zu ihrer Lehrerin hoch, ihr auch in die Augen.
»Meine
Mächte?« Groa hob leicht eine Braue, und ihr Gesicht wirkte in diesem
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