Silberschwester - 14
liegen, während ich prüfe, wie offen du schon bist …«
Devorgilla
schloss ihre blauen Augen, biss sich aber fest auf die Lippen, als Bera sie
untersuchte – und schien sichtlich erleichtert, als die sich lächelnd wieder
aufsetzte.
»Du machst das
gut, meine Liebe. Es tut nur so weh, weil es so rasch geht. Sei weiter so
tapfer, und du hältst sehr bald schon dein Kleines im Arm!«
Die Schöne
unterdrückte ein Stöhnen und versuchte, etwas zu lächeln. Und nun beschrieb
Bera die Auerochsrune über deren Bauch, legte das Gros der Kraft dabei in den
Abwärtsstrich, um die Energie ihres Schoßes in die Außenwelt zu lenken und zu
leiten, zeichnete dann die Seerune darüber – Spitze nach unten, damit es aus
seiner Öffnung fließe, den Weg bahne – und endlich noch die Birkenrune, sprach
dazu auch ein Gebet an Freya und die Mütter, vor allem. Das half wohl auch, es
ging bald schneller voran als bei den meisten Geburten, und doch war
Mitternacht längst vorüber, und die Flut auch, und dämmerte fast schon der
Morgen, bis das Stöhnen zum Keuchen wurde, da Devorgilla mit aller Kraft zu
drücken begann.
Als der Kopf
ihres Kindes erschien, kniete Bera sich schnell zwischen ihre Knie – und
Sekunden später hatte sie es schon, kam es blutverschmiert und schreiend auf
die Welt.
»Ein Junge!«,
rief Halla. »Halvor wird sich freuen! Aber der ist ja hässlich wie ein Troll … der
schlägt bestimmt nicht den Romsdalenern nach.«
Die Frau hat
Recht, dachte Bera, als sie das Kind auf ein leinenes Tuch legte. Sogar für ein
Neugeborenes sah es doch recht zerknautscht aus – der ganze Kopf unter der
schwarzen Mähne war deformiert, in die Länge gedrückt. Aber sie hatte schon
hässlichere Kleine zu schönen, wohlgestalteten Kindern heranwachsen gesehen.
Sie ließ die
Nabelschnur sich entleeren, verknotete sie und schnitt sie ab und reichte den
Kleinen dann der Magd, damit die ihn säubere und wickle, während sie auf die
Nachgeburt wartete. Devorgilla lag keuchend da, und ihr Bauch war noch fest,
wenn auch nicht mehr so dick, groß und rund wie zuvor. Bera musterte sie
stirnrunzelnd, drückte dann, einer plötzlichen Eingebung und Ahnung folgend,
die noch straffe Bauchdecke.
»Da ist ja ein
zweites Kind!«, sagte sie und suchte lächelnd Devorgillas Blick. »Du hast
Zwillinge.«
Die junge Frau
sah sie mit großen Augen an … und die Magd schlug das Zeichen gegen das Böse.
Zwillinge waren ja nichts Unbekanntes, aber etwas Ungewöhnliches und
Unheimliches, ob im Guten oder im Bösen.
»Liegt es
quer?«, fragte Halla und sah Bera bei der erneuten Untersuchung über die
Schulter. »Das bekommst du nie lebend heraus …« Beras scharfer Blick ließ sie
verstummen.
»Ich habe ja
schon bei der Geburt von Zwillingskälbchen und Zwillingslämmern geholfen. Das
dürfte auch nicht viel anders sein. Du musst versuchen, dich zu entspannen«,
sagte Bera und sah Devorgilla wieder an, »während ich das Kind drehe.« Und
damit beschrieb sie eine Hagelrune über ihrem Schoß, um den Energiestrom zu
ändern.
Doch dieses
Kleine, das es vielleicht genoss, im Bauch seiner Mutter endlich einmal genug
Platz zu haben, hatte es nicht eilig herauszukommen. Und so fettete Bera sich,
als sie mit sanftem Druck nichts erreichte, ihre, Gott sei Dank!, kleine,
schmale Hand ein und arbeitete sich damit den Geburtskanal hoch. Eine
Kontraktion, die ihren Arm immobilisierte, ließ sie aufkeuchen. Nach einem
schrecklichen Moment aber bekam sie den einen, dann den anderen winzigen Fuß zu
fassen, und dann zog sie, mit einem erneuten Stoßgebet an Freya, sanft daran … Devorgilla
schrie auf, und da kam ihr zweites Kind auch schon in einem Rutsch ans Licht
der Welt.
Es war ein
Mädchen – aber so fahl und schlaff, dass Bera für einen entsetzlichen
Augenblick befürchtete, zu spät gekommen zu sein. Schnell säuberte sie ihm Mund
und Nase, hielt es an den Füßchen hoch empor – und wurde mit einem dünnen
Greinen belohnt, als es zu atmen begann … Das Mädchen war so hübsch, so glatt,
wie der Junge verknautscht und hässlich gewesen war, und als Bera es vollends
gereinigt hatte, sah sie, dass es fein gespitzte Ohren hatte. Es ist so schön
wie eine vom Völkchen der Haldre, dachte sie und lächelte dabei. Aber es hatte
einen festen, glatten Rücken, und von einem Loch oder Schwänzchen war nichts zu
sehen.
Also wickelte
sie das Kind vollends, legte es seiner Mutter an und schob ihm eine Brustwarze
in den winzigen Mund, bis es, wie sein
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