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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Feuers ließ ihre braune Haut
wie Bronze wirken. Sie trugen beide ärmellose Kamelhaarwesten, die mit dem
Zeichen ihres Stammes, einer Löwin, bestickt waren, und dazu kurze, stark
gekrümmte Bogen.
    Seylana, um
zehn Minuten die jüngere dieser zwei, trat vor. »Wir haben alles bereitet, wie
du es gewünscht hast«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf das Feuer, auf
die Kessel mit Totenkopf- und Oriennawurz und auf den über seine Trommeln
gebeugten jungen Mann.
    »Ihr, meine
Töchter, habt es so gewünscht«, erwiderte er in merkwürdigem Singsang, den er
mit komplizierten Gesten der erhobenen Hände begleitete. »Denn ihr habt nicht
gewünscht, so geboren zu werden, wie ihr es wurdet: als eine in zwei Körper
geteilte Seele, sondern ihr habt gewünscht, wieder vereinigt, eins zu werden.
Die Gefahr solchen Wandels ist groß: die Gefahr, zu sterben oder wahnsinnig zu
werden. Die Gefahr, die von den Geistern droht, die im Dunkel der Eklipse
lauern.«
    Meriadess, an
der Seite ihrer Schwester, schauderte. »Qr …«, flüsterte sie, diese einzige
Silbe nur.
    »Das ist doch
nur ein altes Märchen«, fuhr Seylana auf, biss sich dann auf die Lippen. »Es
muss sein … Welcher Clan würde dem Skorpion als Totem folgen?«
    Der Enaree
schüttelte den Kopf. »Bei Sonnwende, zur Zeit der Finsternis, werden die Wände
zwischen allen Welten dünn. Und die Kräfte, Mächte fließen und strömen frei und
ungehemmt. Die Macht, euch jenen Wandel zu bringen. Die Macht, euren Ängsten
Gestalt zu verleihen. Überlegt es euch noch einmal, ob Ihr das wirklich tun
wollt.«
    »Wir sind
Aschkantianerinnen«, rief Seylana und warf ihr bronzefarbenes Haar zurück. »Wir
fürchten nichts und niemanden.« Sie war immer die mutigere der beiden gewesen –
die Erste, die sich ein Pferd gezähmt, die den wilden Steppeneber gejagt hatte.
    Ihre Schwester
sagte kein Wort darauf, starrte nur stumm in den hellen Feuerschein.
    Da nahm der
Enaree eine Hand voll Orienna- und eine Hand voll Totenkopfwurz, warf beides
ins Feuer … Und als die Flammen aufstoben, die Luft sich mit beißendem Rauch
füllte, begann der Junge, seine Trommeln zu schlagen. Seylana horchte kurz
darauf, legte dann den Bogen beiseite und knöpfte ihre Weste auf. Die Rhythmen
der Kriegs- und der Festtänze waren ihr ja alle geläufig. Aber dieser war ganz
anders, war wie das Echo ihres eigenen Herzschlags.
    Und der Enaree
zog, trotz der Hitze des Feuers in der lauen Sommernacht, den Umhang fester um
seine mageren Schultern und suchte mit den altersweitsichtigen Augen den Himmel
ab.
    Dann trat
Seylana nackt ihrer Schwester am Feuer gegenüber. Und die Trommeln dröhnten
lauter, lauter, bis ihr Klang ihr den Kopf füllte, ihr die Knochen vibrieren
ließ. Nun hob sie die Hände, die Innenseiten nach außen gekehrt, und drückte,
stemmte sie gegen diese unsichtbare Wand, die sie von ihrer Schwester trennte.
    Seylana
schloss beide Augen und summte etwas vor sich hin, in ihrer beider geheimsten
Sprache. Und Meriadess vereinte ihre Stimme mit der ihrer Schwester, zu einem
einzigen reinen Klang. Musik wie Geistgestalt sprengte die Grenzen ihres
Fleisches. Die Sicht verschwamm ihnen, bis sie die Welt mit den Augen der
jeweils anderen sahen.
    Beider
Herzrhythmen passten sich immer mehr dem der Trommeln an. Und sie bewegten sich
im Gleichklang, als eine Einheit, und tanzten nach einem einzigen Rhythmus.
    Finsternis
schob sich über den Rand des Mondes.
    Eine
feuerbronzierte Frau fasste nun nach der anderen – eine gespiegelte Geste im
honigdichten Licht … Zwillingskörper, die wie gelber Marmor gleißten, und
ineinander verschränkte Blicke, ausgestreckte Arme, gespreizte Finger, die
einander berührten.
    Berührten.
    Das Netz, das
sich zwischen ihren Händen spannte, glühte wie ein Schleier aus flüssigem Gold.
Ihre Leiber bogen sich und schwankten so geschmeidig wie junge Weiden im selben
Wind. Durch das glühende Netz verbunden, strahlte beider Fleisch dieselbe weiße
Hitze aus. Die Verwandlung erfasste ihre Arme und Beine, dass sie heller noch
als die Sonne lohten und das lodernde Feuer daneben verblasste. Ihre Seelen,
Körper, sie brannten vereint, als eine, einer … Ihrer beider Gedanken
verschmolzen in diesem Inferno, lösten sich auf.
    Da verstummte
jäh der Trommelschlag.
    Seylana riss
die Augen auf. Atem versengte ihr die Lunge. In den zuckenden Schatten sah sie
einen Schemen wehen. Aus dem Augenwinkel erkannte sie im weichen,
bernsteingelben Feuerschein einen silbernen

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