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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ist Mutter.«
    »Und es geht
ihr gut. Doch sie wird genau wie du gefangen gehalten, in einer Kammer unweit
von hier.«
    »Kann ich sie
sehen?«
    Da schüttelte
Ora den Kopf. »Tut mir Leid, doch Frau Trista erlaubt das zurzeit nicht. Aber
morgen, das garantiere ich dir, wirst du sie sehen. Vielleicht ist dann alles
ausgestanden.« Besser gesagt, Frau Trista wird deiner Mutter die Lebensessenz
aussaugen, dich aber gehen lassen.
    Die Kleine
dachte kurz darüber nach und nickte dann.
    Und Ora trat
vollends zu ihr und kniete sich, mit Mühe und unter Schmerzen, vor sie hin.
»Deine Haare sind ja ganz zerzaust, Kind. Darf ich sie dir richten? Ich habe
einen Kamm dabei«, fragte sie und setzte sich, als die Kleine langsam, leicht
unsicher nickte, zu ihr auf die Matte und nahm sie sich auf den Schoß. Mit
einem Schlag kehrten die Erinnerungen an ihr eigenes Kind zurück: Ihr war, als
ob es erst gestern gewesen wäre, dass sie Elita gekämmt hatte. So schluckte sie
schwer, holte ihren Kamm heraus und machte sich rasch daran, der Kleinen das
fast weiße Haar zu glätten, las auch dabei alle Strohhälmchen heraus.
    »Du hast so
wunderbares Haar, Kind. Es ist fast so weiß wie meines. Aber du bist doch wohl
nicht annähernd so alt?«
    Die Kleine
kicherte. »Ich bin neun Sommer alt. Mutter meint, ich sei etwas klein für mein
Alter.«
    »Also, mir
kommst du gerade richtig vor. Auch meine Tochter war für ihr Alter klein.«
    Nun lachte die
Kleine wieder auf und lehnte sich weiter in Oras Schoß zurück. Aber ihr Lachen
täuschte … in Wahrheit fürchtete sie sich und sehnte sich nach Trost und Nähe –
und so brach es denn aus ihr nur so heraus, als sie erst einmal den Anfang
gemacht hatte: »Meine Mutter ist Gardistin, und die sind sehr stark und mutig.
Manche sagen, sie wird bald eine große Kriegerin sein. Ich habe versucht, mir
ein Lied über sie auszudenken, aber mir ist noch nichts Rechtes eingefallen.
Kennst du denn Kriegerinnen?«
    »Früher kannte
ich mal welche«, sagte Ora, zog ein kleines Messer aus ihrer Tasche, fasste
eine Haarsträhne dicht überm Ansatz, schnitt sie, ohne dass das Kind es merkte,
geschwind ab und steckte sie ein.
    »Ja, aber
Mutter ist Kriegerin. Und sie sagt, dafür braucht man ganz besondere
Qualitäten.«
    Ora machte
sich wieder daran, ihr die Haare zu kämmen. »Und deine Mutter hat Recht … sehr
wenige Frauen schaffen es.«
    »Wer war die
Kriegerin, die du gekannt hast?«
    Ora seufzte.
»Jene Kämpferin hielt sich für sehr mutig. Sie focht gegen die Eindringlinge
aus Percillis und wurde sogar für ihre Tapferkeit ausgezeichnet, ja, von der
Kommandeurin persönlich. Aber sie war keine Gardistin, wie deine Mutter,
sondern Söldnerin … und dem Herzog Jarack sehr verbunden. Von dem hast du
sicherlich nicht gehört. Er starb lange vor deiner Geburt.«
    »Und was war
mit ihr? Wurde sie auch Kommandeurin?«
    Ora schüttelte
betrübt den Kopf. »Nein, diese Kriegerin ist in etwas hineingeraten. Sie hat
bei einer Probe versagt, bei der es um Mut und Ehre ging. So kläglich versagt.
Danach hat sie dann nicht mehr viel getaugt.«
    »Du sagst das
so traurig. Du musst sie gut gekannt haben.«
    »Ja,
allerdings …« So gut, wie man sich selbst kennen kann. Aber ich kann nach all
den Jahren immer noch nicht glauben, dass ich das getan habe. Arme Elita – es
ist, als ob ich sie mit eigener Hand getötet hätte.
    Ora verkniff
sich ein paar Tränen und schob die Kleine sacht von ihrem Schoß. »Ich muss
jetzt gehen. Aber, soll ich deiner Mutter noch irgendetwas ausrichten?«
    »Sag ihr, dass
sie mir fehlt.«
    Ora nickte,
schier von ihren Tränen überwältigt. »Das will ich, ja.«
     
    Dann saß Ora auf ihrem Stuhl im
Turmzimmer und musterte die fingerdicke Haarsträhne in ihrer knotigen Hand. Ihr
entging nicht, dass es dunkler wurde bei ihr, da die Sonne nun schon unter den
Horizont sank. Trista beeilte sich besser mit der Robe des Lebens, wenn sie sie
bis früh morgens fertig haben wollte!
    Sie ließ die
Strähne zwischen ihren Fingern hindurchgleiten: Sie fühlte sich angenehm glatt
an. Dabei war jedes einzelne Haar wirklich kräftig. Schwarz war es und von der
Mutter. Als sie die silbrig weiße Locke ihrer Tochter in Oras Händen erblickt
hatte, hatte sie ihren Widerstand aufgegeben – und sich nicht mal dagegen
gewehrt, dass sie ihr, als Ersatz für die weiße, eine Strähne abschnitt. Ja, so
ging das immer … Die Mütter bangten um das eigene Leben, aber mehr noch, und
mehr als um alles

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