Silberschwester - 14
sehen. Und Dinge träumen.«
Das traf mich
ins Herz. »Kind, meinst du, ich sei freiwillig so umhergewandert? Oh, ich wurde
durch die Habgier und Angst Außenstehender immer wieder von Haus und Heim
vertrieben. Du solltest mich nicht beneiden!«, sagte ich. Aber ganz offenbar zu
tauben Ohren …
Dumpfer
Hufschlag erklang hinter uns, zögernde Schritte. »Ashóli …«
Ich fuhr herum
und schalt: »Du bist eine Närrin, Eysla.«
Da zuckte sie
vor mir zurück, aber nicht mehr aus Angst. Das lag wohl daran, dass sie den
Fellumhang trug.
»Vielleicht
wusstest du es ja nicht besser«, sagte ich, etwas versöhnlicher. »Aber Ashóli
hätte es wissen müssen.«
Da schlüpfte
sie aus dem Stutenfell, presste es fest an sich. »Du wirst mir meine Sunna
nicht nehmen!«, rief sie, sah dabei Hilfe suchend zu Ashóli hin.
Ich seufzte.
Es war zu spät, um noch umzukehren. Wir mussten dieses Spiel zu Ende spielen.
Nach all der Zeit hegte ich die
Hoffnung, dass Eysla doch nicht verfolgt wurde. Am nächsten Morgen aber kam,
durch eine Laune der frischen und stillen Luft, ein Hauch von Hundegebell den
Hang herabgeschwebt. Da ich ja, so am Tage, nicht ausfliegen konnte, um
nachzusehen, schlüpfte Ashóli nun in den noch auf Zustellung wartenden
Rabenbalg, der neben dem ebenfalls noch freien Fuchscape hing. Aber es bedurfte
bald kaum mehr ihrer scharfen Augen zur Bestätigung unserer Befürchtung … schon
sahen wir beide auch jene drei Reiter, mit doppelt so vielen Jagdhunden, die
vom Pass herab kamen – und das konnten ja nur Eyslas Verfolger sein. Ich sandte
Ashóli mit ihren schnellen Flügeln hinab zum Dorf, dass sie die Leute warnte,
und eilte, als sie weg war, zur Hütte zurück … und stählte mich dabei für das,
was jetzt zu tun war!
Eysla kauerte
vor dem Herd im Hof und knetete Teig in einem Trog. Ich weiß nicht, warum, aber
mich störte es, sie bei solchen häuslichen Arbeiten zu sehen … es war, als ob sie
glaubte, alles recht machen zu können, wenn sie eben nur für einen die bessere,
pflichtbewusstere Hausfrau wäre.
»Sie kommen
dich suchen«, sagte ich barsch und schonungslos. »Sie kamen heute Morgen mit
Pferden und Hunden über den Pass. Ich habe Ashóli hinuntergeschickt, das Dorf
zu alarmieren.«
Da starrte sie
mich für einen Augenblick an, ohne ein Wort zu sagen, schwang sich sodann auf
die Fersen zurück, sprang auf und rieb sich das Mehl von den Händen.
Ihre
Gelassenheit brachte mich in Wut. »Da hast du uns etwas eingebrockt, und vor
allem Ashóli … Wenn die uns entdecken, können wir sie nicht wieder gehen
lassen. Aber danach kommen andere und andere, und am Ende vertreibt man uns
doch wieder von Haus und Heim.«
Sie fuhr
zusammen, sagte aber immer noch nichts, verschwand nur in die Hütte. Ich wollte
hinter ihr her, aber da erschien sie schon wieder, mit dem Cape aus grauem
Stutenfell um die Schultern.
»Was tust du
denn?«, fragte ich, obwohl ich mir das ja leicht denken konnte.
»Was ich immer
tue«, antwortete sie, mit einem seltsamen Lächeln um die Lippen. »Was auch du
von mir erwartest. Ich tue immer, was andere von mir erwarten.«
»Und für wie
lange, glaubst du, kannst du so laufen?«, fragte ich.
Sie schüttelte
den Kopf. »Du hast mich missverstanden: nicht, was du befürchtest, was du
erwartest … Ich werde wohl nicht lange laufen müssen.« Nun schloss sie die
Augen, zog das Fell fest um sich und stimmte das Lied an, das Ashóli ihr
gemacht hatte. Ach, es machte mich ganz krank, ein Balglied in einer fremden
Zunge zu hören. Das war falsch, fürchterlich falsch! Doch schon dröhnte die
gestampfte Erde des Hofes unter ihren Hufen und sie jagte davon.
Und während
ihr Hufschlag über dem Bergkamm erstarb, kam das Bellen der Hunde immer näher …
Die machten aus ihrem Kommen keinen Hehl, hofften wohl, Eysla aufzuscheuchen.
Und so gab sie ihnen, was sie wollten. Es war aber bei weitem nicht die beste
Lösung … wenn die nun Gerüchte über Balgwandler hier im Tal in Umlauf brachten!
Aber, es gab auch keinen Grund zu glauben, dass sie von unserer Anwesenheit
erführen. Sie waren eine Hexe jagen gekommen, und die fänden sie ja jetzt.
Als Ashóli mit heftigem Flügelschlagen
zurückkam, musste sie erst einmal Atem holen, bevor sie Bericht erstatten
konnte. »Sie werden den Jägern im Dorf einen Empfang bereiten! Aber, wo ist
Eysla?«
Als sie sich
hastig umsah, fiel ihr Blick auf den Trog beim Feuer, mit dem bei der Hitze
schon überkrustenden Teig, und sodann auf
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