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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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die Hufspuren, die zum Hof
hinausführten. »Wo ist sie?«, wiederholte sie. »Was hast du getan?«
    »Ich habe
nichts getan«, sagte ich. »Sie hat eben ihre Wahl getroffen.«
    Sie kam auf
mich zu, das Gesicht weiß vor Wut und Gram. »Wie konnte sie eine Wahl treffen,
wenn du ihr keine Alternative ließest? Du hast sie zu ihm zurückgejagt, weil du
nicht den Mut gehabt hast, nach einer anderen Möglichkeit zu suchen.«
    »Das ist keine
Frage des Mutes«, schrie ich hitzig, »sondern der Klugheit. Ich kann ja nicht
die ganze Welt richten, und wenn ich wählen muss, entscheide ich mich dafür, meinen
Clan zu schützen.«
    »Mein Clan ist
so groß, dass er auch sie einschließt, so wie deiner einst mich einschloss!«,
fauchte sie und legte, obwohl sie für weitere Flüge doch zu erschöpft war,
ihren Rabenbalg wieder um und flog in Richtung auf den Jagdlärm los.
    Was sollte ich
da tun? Ich folgte ihr. Legte dazu aber, weil mein Eulengefieder bei Tag
nutzlos war und ich, ohne Ashólis Einwilligung, nicht so einfach ihr Katzenfell
nehmen wollte, das auf Verwendung wartende Fuchsfellcape um, das mir flinke
Beine, scharfe Ohren und eine gute Nase gab. Nur flog Ashóli ja einfach über
die zerklüfteten Grate und tiefen Schluchten hinweg, während ich Umwege machen
musste!
    Mir war, als
ob ich stundenlang über Stock und Stein, durch Gestrüpp und Unterholz jagte,
aber dann zog mich der Geruch von Blut fort von dem Jagdlärm, hinunter in eine
geschützte Senke – Eysla saß da, an einen Fels gelehnt, einen blutigen Pfeil
neben sich auf der Erde und den Oberschenkel mit etwas verbunden, was einmal
Ashólis Hemd gewesen war.
    »Wo ist sie?«,
fragte ich.
    Da hob sie
ihre zuckenden Augenlider, biss sich auf die Zähne, dass es knirschte, und
drehte sich zu mir: »Ich habe versucht, sie zurückzuhalten«, sagte sie trocken.
»Sie hätten mich ja bald gefunden, und dann wäre alles vorüber gewesen. So
zeigte ich mich denen und verwandelte mich zurück, um Gorliv zu reizen,
verwandelte mich wieder und hetzte vor ihnen her. Vielleicht hätte ich sie gar
über den Pass zurückgebracht, aber dann kam das …« Da wies sie auf den
gefiederten Schaft. »Ich suchte sie zurückzuhalten. Aber sie wollte nicht
hören. Kaum hatte sie mich verbunden, legte sie sich das Stutenfell über, nahm
den anderen Balg zwischen die Zähne und lief wieder vor ihnen her.«
    Der Lärm der
Meute war noch von fernher zu hören, aber von zu fern, als dass ich hoffen
konnte, sie auf Fuchsläufen einzuholen … Eysla versuchte aufzustehen, streckte
mir die Rechte hin, damit ich sie hochzog. Und ich half ihr, aus der Rinne zu
klettern, hinauf auf den Grat, von dem aus wir das Geschehen verfolgen konnten.
    Die wilde Jagd
ging schon über der Baumgrenze jenen felsigen Weg hinan, der zum Pass führte.
Die graue Stute jagte wie ein Nebelstreif den steilen Steg entlang … die Kerle
wunderten sich bestimmt schon über ihr erneutes Tempo. Sie hatten doch sicher
das Blut gesehen! Hinter ihr rasten die Hunde, hinter denen die drei Reiter. So
ging es das Geröllfeld längs, die Stute in wildem und zügellosem Lauf und die
Jäger langsamer, auf einem Pfad, der sich, für uns kaum sichtbar, den Abhang
hinaufzog. Hinter der nächsten Biegung aber verschwand der Weg, und an eben der
Stelle fiel der Berg jäh ab, senkrecht schier und tief, tief hinab …
    Von einer
schrecklichen Ahnung ergriffen, hielt ich den Atem an, als die Stute sich jetzt
der Biegung näherte. Nein, sie verlangsamte ihr Tempo nicht – und wo der Weg
sich dem Blick entzog, da versammelte sie sich zum Sprung und sprang hinaus ins
Leere.
    Eysla, an
meiner Seite, schrie laut auf. Aber ich packte sie und zwang sie, wieder zur
fernen Wand hin zu blicken. »Sieh doch! Da!«
    Die graue
Gestalt fiel so langsam, langsam wie im Traum. Nun schien sie in sich
zusammenzufallen – entließ aber noch, ehe sie tief drunten aufschlug, einen
Schemen unter sich.
    Da holte Eysla
tief und keuchend Atem und rief: »Wie konnte sie nur …«
    »Wie du gesagt
hast: Sie hatte noch den Rabenbalg mit. Aber auch so hätte ich das kaum
gewagt!«, sagte ich und wandte den Blick wieder auf den Weg da hoch über uns:
Die Reiter waren schnell abgestiegen und spähten über die Kante in die Tiefe:
ein Fall zu tief, um ihn überleben zu können, ein Abstieg zu lang, um bloß
nachzusehen! Ashóli, die ja diese Gefilde wie ihre Westentasche kannte, hatte
ihren Sprung wohl sorgfältig geplant. Das Stutenfell nun zu bergen,

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