Silberstern Sternentänzers Sohn 01 - Der geheimnisvolle Hengst
her, um in der nächsten Sekunde wieder ruhig dazustehen.
„Es ist alles gut, mein Kleiner“, flüsterte Annit und drückte ihm zum Abschied noch einen Kuss auf die weichen Nüstern.
Dann legte auch sie sich in ihrem Zelt schlafen. Doch statt zu schlafen, starrte sie mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit und dachte an den seltsamen Jungen. Am liebsten hätte sie ihn auf der Stelle herbeigezaubert. Warum läuft er denn immer davon und spricht nicht mit mir? Ob er tatsächlich etwas mit dem rätselhaften Verhalten der Tiere zu tun hat?, überlegte sie. „Schade, dass ich nicht zaubern kann!“, seufzte sie und musste dabei an Carolin und deren Hengst Sternentänzer denken, der bei Vollmond in die Zukunft blicken konnte. Warum nur offenbart sich Silberstern nicht endlich mir gegenüber?
Annit überkam ein seltsames Gefühl, als sie so in Gedanken versunken in ihrem Schlafsack lag. Sie fühlte sich mit einem Mal merkwürdig leicht. Kurz darauf fielen ihr die Augen zu, und sie sank in einen tiefen Schlaf, wie in eine andere Welt - eine Welt, in der es nur sie und Silberstern gab.
Ein endloser Himmel erstreckte sich über ihr, der heller als tausend Sonnen war. Annit ritt auf Silberstern über eine unendliche Weite. Sie fühlte sich geborgen, da der schwarze
Hengst bei ihr war. Seine lange dunkle Mähne wehte im Wind, während er über den Boden zu schweben schien. Annit wusste nicht, wohin Silberstern sie führen würde. Aber sie spürte, dass er den Weg kannte, den er ging - auf der Suche nach einer Antwort, die nur er ihr geben konnte. Mit einem Mal verdunkelte sich der Himmel, als hätte jemand ein riesiges schwarzes Tuch darübergezogen. Annit konnte nichts mehr sehen. Plötzlich blieb Silberstern stehen, bäumte sich auf und wieherte laut. Vor ihr am Horizont tauchte nun ein kleines, flackerndes Licht auf. Es wurde immer größer, erhob sich in die Luft und wirbelte im Kreis herum. Und mitten in diesem lodernden Kreis stand der Junge und streckte seine Hand aus - genau so wie er es bei den Pferden gemacht hatte. Noch einmal wieherte Silberstern laut. Dann wurde es wieder still - so still, dass Annit nur noch ihren eigenen Atem hörte. Der brennende Kreis war erloschen. Und der Junge verschwunden.
„Silberstern“, rief Annit. Zunächst wusste sie nicht, wo sie war. Wusste nicht, ob sie noch träumte oder wach war. Sie öffnete langsam die Augen, helles Morgenlicht drang in ihr Zelt. Erst jetzt merkte Annit, dass sie nicht länger in dem Traum gefangen war.
Was hat das alles zu bedeuten?
Als Annit am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich völlig erschlagen. Der Traum hatte sie zutiefst aufgewühlt. Die Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. Was hat dieser seltsame Traum zu bedeuten? Was will mir Silberstern sagen? Wenn ich nur wüsste, welche Botschaft sich dahinter verbirgt?, überlegte sie angestrengt. Vielleicht kann ich den Traum ja in seiner Gegenwart entschlüsseln? Am besten, ich reite mit ihm aus, entschied sie.
Sogleich lief Annit zu Silberstern. „Na, mein Kleiner“, begrüßte sie ihn und schwang sich auf seinen Rücken. Ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben, lenkte sie Silberstern zu dem kleinen Feldweg. Tief sog sie die kühle Morgenluft ein.
Auf den Wiesen glitzerte noch der Tau. Die Sonne stand schon wie ein leuchtend gelber Ball am Himmel und würde bald mit ihren Strahlen die Erde erwärmen. Doch Annit bemerkte von all dem kaum etwas, sie war viel zu sehr mit ihrem Traum beschäftigt.
Immer weiter entfernten sich Annit und Silberstern von ihrem Quartier. Plötzlich standen sie vor einer langen hohen Mauer, die an manchen Stellen schon ziemlich verfallen war. Annit ritt daran entlang und spähte neugierig hinüber. Vor Staunen blieb ihr der Mund offen stehen. Dahinter lag ein riesiges Sonnenblumenfeld, wie ein leuchtend gelbes Meer.
Als Annit eine Stelle erreichte, an der die verfallene Mauer nur hüpfhoch war, sprang sie von Silbersterns Rücken und kletterte hinüber. Fasziniert stand sie vor den Sonnenblumen. Es waren Tausende von Blüten, so hell lodernd wie der riesige Feuerkreis, den sie in ihrem Traum gesehen hatte.
Annit wandte sich zu Silberstern um. „Hast du mich hierher geführt, mein Kleiner?“, fragte sie. „Was haben diese Sonnenblumen zu bedeuten?“ Sie ließ ihren Blick erneut über das gelbe Blütenmeer schweifen. Vorsichtig strich sie mit der Hand über eine Blüte, als
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