Silberstern Sternentänzers Sohn 02 - Gefährliche Traeume
Silberstern als junges Fohlen auch einmal nicht mehr richtig hatte fressen wollen. Carolin hatte ihr das erzählt. Erst als er schließlich richtige Spielkameraden gefunden hatte, mit denen er herumtoben konnte, hatte sich das wieder geändert.
Allmählich fiel die Dämmerung über das Land. Der Himmel im Westen färbte sich tiefrot.
„Wir müssen aufbrechen. Wir wollen zu Hause sein, bevor es dunkel ist“, erklärte Mannito und stand auf.
Sie verabschiedeten sich von dem Schäfer und traten langsam den Heimweg an.
„Ein wunderschöner Tag, Mannito. Danke, dass du mir ein Stück deiner Heimat gezeigt hast“, sagte Annit, als sie Kischila erreichten, und seufzte tief.
Einige Tage später kehrten Annit und Mannito schon am frühen Nachmittag aus dem Reservat heim. Pelikan brauchte seinen Sohn dringend, damit der ihm half, das Dach fertig zu decken.
„Dann werde ich ein bisschen mit Silberstern aus reiten“, erklärte Annit. „Er möchte bestimmt noch einmal in den Teich. Und ich schau auch, ob ich unseren Schäfer wiederfinde. Sicher freut er sich, wenn mal wieder jemand vorbeikommt, mit dem er reden kann.“
Doch Annit hatte an diesem Tag kein Glück. Nach einer Stunde begann es zu regnen und hörte nicht mehr auf. Im nassen Wald fand sie die Spur zum Teich nicht mehr, und der Schäfer war natürlich längst über alle Berge. Zu guter Letzt begann Silberstern auch noch zu lahmen.
Auf dem Rückweg, kurz vor der Dorfgrenze, trafen sie auf zwei völlig durchnässte Gestalten: einen Jungen von vielleicht acht, neun Jahren und einen kleinen schwarzen Hund. Die beiden tummelten sich inmitten von Regen pfützen.
„Nun komm endlich her und spring durch den Reifen!“ Der Junge hielt einen ausrangierten Fahrradreifen ohne Speichen neben sich in die Luft. „Da, spring doch!“
Aber der Hund rührte sich nicht von der Stelle, er drehte nur den Kopf weg.
„Was machst du denn da?“, fragte Annit den Jungen. Er wirkte so verzweifelt, dass sie ihn einfach ansprechen musste.
Erst jetzt hatte der Junge sie bemerkt. „Geht dich gar nichts an“, gab er trotzig zurück. Als Silberstern laut schnaubte, hielt er die Hände vors Gesicht und wich ängstlich ein paar Schritte zurück.
Annit saß ab und ließ Silberstern frei. Der trottete gleich auf den nassen Hund zu und beschnüffelte ihn. Der Hund zögerte kurz, dann schnüffelte er erfreut zurück.
Da schien auch der Junge ein bisschen aufzutauen. „Seit Tagen versuche ich, meinem Hund beizubringen, wie man durch den Reifen springt“, erklärte er betrübt. „Aber er will einfach nicht. Ich habe das im Zirkus gesehen, und sogar die Löwen und Tiger schaffen so was. Nur mein Hund will keine Kunststücke machen.“ Er warf seinem Hund einen traurigen Blick zu. Doch seine Miene verriet auch, dass er das Tier sehr gern hatte.
„Vormachen ist das allerbeste Mittel, anderen etwas beizubringen“, sagte Annit. Doch als sie sich insgeheim vorstellte, wie der Junge durch den Reifen sprang, musste sie schmunzeln. „Und? Hat dein Hund auch einen Namen?“
Der Junge nickte. „Ich ruf ihn Lucky. Einfach Lucky. Eigentlich heißt er ja Lucky Emiliano, aber wir nennen ihn immer nur Lucky.“
„Und wer bist du?“, wollte Annit dann wissen.
Der Junge kratzte sich am Kopf. „Chico“, antwortete er. „Aber warum interessiert dich das eigentlich alles?“
Annit merkte, dass der Junge sich plötzlich wieder in sein Schneckenhaus zurückgezogen hatte.
Schade!, dachte sie. Ich hätte ihm gern geholfen! Annit nickte ihm freundlich zu. „Na dann, Chico, mach’s gut“, verabschiedete sie sich und schwang sich auf Silberstern, der sich inzwischen mit Lucky Emiliano angefreundet hatte. „Und viel Glück noch mit deinem Hund.“
Annit war schon ein Stück weit geritten, doch Chicos bedrücktes Gesicht ging ihr nicht aus dem Kopf. Ist er wirklich nur deshalb so traurig, weil sein Hund nicht durch diesen Reifen springen will?, überlegte sie. Das war ja komisch. Bestimmt gibt es da noch einen anderen Grund. Ich werd ihn fragen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, beschloss sie.
Silbersterns Botschaft
Es war spät geworden. Trotzdem,hatte die ganze Familie mit dem Abendessen gewartet, bis Annit wieder da war. Sie durfte vorher sogar noch heiß duschen. Draußen war der Regen noch stärker geworden. Er rauschte in dichten Strömen vom Himmel, peitschte schräg gegen den Vorsprung des Daches und
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