Silberstern Sternentänzers Sohn 02 - Gefährliche Traeume
wiegte im Rhythmus der Sprünge.
Auf halber Strecke preschten sie auf ein verfallenes altes Gatter zu - hoch genug, um einen Hirsch vom Springen abzuhalten. Der Hengst jedoch steuerte geradewegs darauf zu.
„He, willst du etwa über das Gatter springen, Silberstern?“, murmelte Annit. Kurz vor dem Hindernis parierte sie durch, um das Tempo zu drosseln. Silberstern spielte aufmerksam mit den Ohren. Im Moment des Absprungs gab Annit Schenkelhilfe. Der Hengst schnellte vom Boden ab und überwand das Gatter mit einem mächtigen Satz. „Du bist wirklich ein fantastisches Pferd“, rief Annit überschwänglich.
Bald hatten sie den Wald durchquert. Als Annit die Zügel wieder stärker aufnahm, reagierte Silberstern sofort. Er verfiel in einen rhythmischen Trab, Pferd und Reiterin in perfekter Harmonie.
Mannito folgte ihnen mit Ranja in einigem Abstand. „Ihr seid vielleicht ein paar Künstler! Erst heizt ihr cowboymäßig durch die Gegend, und dann macht ihr einen auf Hohe Schule“, sagte er und pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Silberstern ist eben ein ganz tolles Pferd“, erwiderte Annit glücklich und klopfte sanft auf den Hals des Hengstes.
„Und meine Ranja?“, gab Mannito in gespielter Empörung zurück. „Aus maßlosem Kummer werden wir zwei uns jetzt im See ertränken.“ Er fasste sich theatralisch mit der Hand ans Herz. Dann trieb er Ranja an, überholte Annit und Silberstern und galoppierte davon.
Annit jagte hinter den beiden her.
Mannito zeigte nach vorn und rief: „Da! Schau, der Todesweiher! Dort werfen wir zwei, mein Pferd und ich, uns jetzt rein.“
Tatsächlich gelangten sie gleich darauf an einen kleinen Teich. Eine riesige Herde von vielleicht fünfhundert Schafen, helle und schwarze, Lämmer und Muttertiere, weidete rund um das Gewässer.
Den Pferden tat die Erfrischung sichtlich gut. Sie stelzten mit hoch erhobenen Vorderläufen durch das seichte Wasser und bespritzen sich und ihre Reiter voller Übermut. Sie waren kaum zu bremsen.
„He, Silberstern! Hör auf, so rumzutoben“, schimpfte Annit, konnte sich aber ein fröhliches Grinsen dabei nicht verkneifen.
Silberstern wieherte laut. Es hörte sich fast so an, als würde er lachen. Gleich darauf machte er mit Annit kehrt und trabte brav aus dem Wasser.
„He, ihr zwei da drüben, könnt ihr nicht aufhören mit eurer Spinnerei“, ertönte plötzlich eine verärgerte Stimme. „Ihr macht ja meine Schafe ganz nervös. Aufhören, sag ich!“
Mannito trieb Ranja an. Er ritt auf den Schäfer zu, der plötzlich - umringt von vier Hunden - mitten aus seiner Herde aufgetaucht war. „Nur ruhig“, beschwichtigte Mannito. „Das ist keine Spinnerei, was wir machen. Unsere Pferde brauchen eine Erfrischung. Und wir verscheuchen auch Ihre Schafe nicht. Außerdem gehört dieses Land uns allen.“
Der Schäfer warf einen Blick auf seine Herde. Die Schafe grasten friedlich weiter. Er zuckte mit den Schultern. „Hast ja Recht“, gab er zurück. „Hier ist nur noch nie jemand vorbeigekommen. Deshalb bin ich eben ein bisschen erschrocken, als ich euch mit den Pferden gesehen habe.“ Er musterte Mannito und Annit eingehend. „Seid ihr hungrig? Habt ihr Lust, mit mir was zu essen?“, fragte er dann freundlich. „Ich bin ja sonst immer allein, und ein wenig Gesellschaft ab und zu ist doch nicht schlecht.“
Annit betrachtete den Schäfer einen Moment lang. Er war ein vierschrötiger, bärtiger Kerl mit einem dicken Umhang, einer Wollmütze auf dem Kopf und einem langen Stab in der Faust.
„Ja, gerne“, nickte sie schließlich, weil der Mann ihr irgendwie leidtat. Er hat anscheinend niemanden außer seinen Tieren, dachte sie. Keinen Freund wie Mannito, der immer für ihn da ist.
Annit und Mannito saßen ab und ließen die Pferde grasen. Die beiden mischten sich friedlich unter die Schafe. Die Hunde, die um sie herumsprangen, störten sie nicht.
Der Schäfer winkte Annit und Mannito zu seinem Schäferkarren. Annit und Mannito ließen sich auf dem Bänkchen davor nieder, während der Schäfer Brot, Schinken und Käse brachte. Dazu tranken sie Wasser, das aus einer nahe gelegenen Quelle stammte.
Nach dem Essen lehnte sich der Schäfer zurück und begann zu singen. Er stimmte ein altes trauriges Schäferlied an, in dem es um ein kleines Lämmchen ging, das nicht mehr fressen wollte.
Hingerissen lauschte Annit dem schönen Gesang des Schäfers. Dabei fiel ihr ein, dass
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