Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse
Mannito. „Wir sind mitten in der Türkei. Die meisten Menschen, die hier leben, wissen wahrscheinlich nicht mal genau, wo Deutschland überhaupt liegt.“
„So wie ich bis vor Kurzem keine Ahnung hatte, wo Ostanatolien liegt. Würde nicht meine Mutter dort leben, wüsste ich es immer noch nicht“, erklärte Annit. „Also weiter!“
Mannito legte die flache Hand an seine Stirn und nahm grinsend Haltung an. „Aye, aye, Sir!“
Annit kniff ihre Augen zusammen und spähte die Straßen entlang. „Schau mal dort! Dieses hohe, helle Gebäude mit den Flaggen auf dem Dach, das sieht nach einem Hotel aus.“ Entschlossen marschierte sie gleich los. „Komm, wir versuchen dort unser Glück!“
Es war tatsächlich ein Hotel. Miramare hieß es. In der Nähe des Eingangs drückte Annit Mannito Silbersterns Zügel in die Hand. „Ich geh mal rein und frag nach Arbeit.“
Eine halbe Stunde später kam sie fröhlich tänzelnd wieder heraus. „Alles paletti, Mannito!“, rief sie dem Freund zu.
„Wir können auftreten?“
Annit nahm ihm Silbersterns Zügel ab. „Nee, das leider nicht. Aber wir können bei einer Gala am Strand aushelfen. Die haben sogar Ställe für die Pferde. Komm!“ Zielstrebig ging sie los.
Etwas zögerlich folgte Mannito ihr. „Was sollen wir denn bei dieser Gala machen?“, fragte er dann.
„Bei den Vorbereitungen helfen und Gäste bedienen“, antwortete Annit knapp.
„Aber... das hab ich noch nie gemacht“, meinte Mannito nach einer kleinen Pause.
Annit drehte sich zu ihm um. „Ich auch nicht.“
„Aber ich hab zwei linke Hände“, setzte Mannito nach.
„Ich doch auch“, grinste Annit. Dann deutete sie auf ein niedriges Gebäude, vor dem ein paar Pferde angebunden waren. „Das müsste der Stall sein.“
Kaum hatte sie ausgesprochen, öffnete sich die Tür. Ein Junge mit kurzen, dunklen, lockigen Haaren, kaum älter als sie, kam heraus. Er trug ein Baseballshirt mit der Nummer zwanzig und blaue Shorts.
Annit drehte sich zu Mannito. „Das ist vermutlich der Stallbursche. Was heißt:,Hallo, wir haben die Erlaubnis, unsere Pferde hier einzustellen!’ auf Türkisch?“
Bevor Mannito antworten konnte, begrüßte der Stallbursche sie auf Deutsch mit Berliner Akzent. „Hallo, Leute! Ich weiß Bescheid.“
Verdutzt sah Annit ihn an. Deutsch? Mitten in der Türkei?
Der Junge lächelte sie freundlich an und reichte ihr seine Hand. „Ich bin Issan, ich hab in Deutschland gelebt, in Berlin, deswegen ...”
„Ich bin Annit“, stammelte sie überrascht. „Und das ist Mannito.“
Issan nahm ihnen die Zügel ab. „Ihr seid die Aushilfen für die Gala“, vergewisserte er sich, während er Silberstern und Ranja in den Stall führte. „Kommt mit!“
„Was hast du denn in Deutschland gemacht?“, wollte Annit neugierig wissen.
Issan brachte die Pferde in zwei leeren Boxen unter. „Ich bin dort aufgewachsen, zur Schule gegangen. Deutsch gelernt und so.“
„Aber es hat dir nicht gefallen?“, erkundigte sich Annit.
„Doch.“ Issan schloss die Boxentür. „Schon. War voll krass.“
„Warum bist du dann wieder zurück?“
Issan drehte sich zu ihr um. „Ey, neugierig bist du gar nicht, oder was?“
Annit zwinkerte ihm zu. „Nee! Nur ein kleines bisschen.“ Issan gefiel ihr. Er wirkte sympathisch und sah mit seinen schwarzen lockigen Haaren und dem aristokratischen Gesicht auch ziemlich gut aus.
Mannito sagte kein Wort und lehnte mit verschränkten Armen an der Stallwand. Er spürte, dass sich die beiden mochten, und irgendwie behagte ihm das gar nicht.
„Also?“, setzte Annit nach.
„War echt voll cool!“, antwortete Issan ernst. „Aber meine Familie hat mich gerufen, und deswegen bin ich zurückgegangen. Die Familie ist bei uns in der Türkei alles. Musst du wissen.“
Bei uns auch, dachte Annit. Das ist auch der Grund, warum ich hier neben dir stehe!
„Wie läuft das denn jetzt mit unserer Arbeit?“, mischte sich Mannito nun doch ein.
„Die Gala ist in drei Tagen“, erklärte Issan. „Es kommen viele Leute, auch ein paar hohe Tiere von der Regierung. Das ist das wichtigste Event des Jahres für uns.“
„Für uns?“, fragte Annit nach.
„Für das Hotel“, korrigierte sich Issan schnell.
Mannito dachte gleich wieder an die praktischen Dinge. „Gibt es jemanden, der uns einlernen kann? Wir haben nämlich nicht so viel Erfahrung im Service.“
Nicht so viel Erfahrung ist gut, dachte Annit
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