Silence
Freund hat versucht mich zu manipulieren, aber das funktioniert nicht bei mir. Ich habe nur so getan, als würde es das, damit er mich wieder gehen lässt. Mir machen diese Beißer genauso Angst wie jedem anderen hier.« Sie sah mich an. »Außer dir vielleicht.«
»Sie sind gar nicht so, wie hier immer getan wird.«
»Sie haben zumindest getan, was ihnen vorgeworfen wird, oder nicht«, warf Kirsty mit sarkastischem Unterton ein.
Da sie recht hatte, und ich nicht wusste, wie ich das entschuldigen konnte, sagte ich nur: »Das ist Ewigkeiten her.« Ich trat näher an sie heran. »Ich muss hier raus. Ich kann unmöglich so werden wie die anderen hier.«
»Du meinst, wie deine beste Freundin?«, sagte sie kühl.
Ich zuckte zusammen. »Ja.«
Kirsty strich sich durch ihr blondes Haar und seufzte. »Ich will genauso wenig wie du so enden«, sagte sie und machte eine ausholende Bewegung, die alle anderen Schüler einschloss. Sie blitzte mich aus hellgrünen Augen an und wirkte eigentlich viel mehr wie eine Puppe, nicht mehr wie so wie eine Kriegerin. In ihrem zarten Gesicht zuckten die Wangen und ich fragte mich, wieso sie so viel sanfter wirkte als die anderen. Vielleicht war die Kriegerin, die sie einmal zu sein schien, nicht wirklich eine Kriegerin sondern einfach nur ein verletztes Mädchen? »Aber welche Alternative haben wir? Entweder wir nehmen weiterhin Valium, um den Wolf zu unterdrücken, oder wir legen den Schalter um und werden zu Zombies. Und glücklich ist von denen bestimmt keiner.« Sie rollte mit den Augen und ich konnte mir ein Lachen nicht unterdrücken. Die komische Kirsty, mit der in Silence niemand etwas zu tun haben wollte, war hier auf dem Prinz Wilhelm die normalste. Sie grinste auch.
»Für den Anfang könnten wir hier verschwinden.«
»Und dann? Wohin? Es wird keinen Ort auf diesem Planeten geben, wo die uns nicht finden werden. Vielleicht werde ich ihnen noch egal sein, aber du? Was ist mit deiner Krone?«
Ich lachte höhnisch. »Welche Krone, die ist nichts weiter als ein Schmuckstück. Meine Aufgabe wird es sein, hübsch auszusehen, mehr nicht.«
»Warum überrascht mich das nicht. Trotzdem werden sie dich suchen. Immerhin haben sie dich bei deinem ersten Versuch auch gefunden.« Kirsty ging langsam wieder in Richtung Schulgebäude. Die anderen Schüler strömten schon wieder in ihre Klassen.
»Giovanni und Ermano werden einen Weg finden.«
»Du weißt, das würde bedeuten, nie wieder Kontakt zu irgendjemand aus diesem Leben.«
Ich lachte laut auf. »Damit habe ich schon vor Tagen abgeschlossen. Venedig kann ich übrigens für eine Flucht nicht empfehlen.«
»Mist, da wollte ich als erstes hin.«
»Also sind wir uns einig?«
Kirsty nickte und in ihren Augen konnte ich die Funken sprühen sehen. »Wenn du sicher bist, dass deine Vampire verhindern können, dass wir den Zombies hier wieder in die Arme laufen? Und wenn wir da draußen nicht unter irgendeiner Brücke landen und um Essen betteln müssen?«
»Versprochen«, sagte ich. Giovanni und Ermano würden nie zulassen, dass wir verhungern.
»Wir sollten den Rest des Tages über ganz normal weitermachen, so dass man uns nichts anmerkt.«
Ich nickte. Das würde bedeuten, ich musste noch einmal Benimmunterricht bei Lissianna hinter mich bringen. Dann musste es wohl so sein.
30. Kapitel
Sie hätten keine bessere Lehrerin für den geschichtlichen Teil unserer Ausbildung finden können, als Mrs. Walsh. Als sie in die Klasse kam, ein Buch auf den Schreibtisch legte und sich wie gewohnt an diesen lehnte, fiel ein Stein von meiner Brust. Ich hatte schon befürchtet, sie hätte sich für die andere Möglichkeit der Bestrafung entschieden. Obwohl diese nicht weniger grauenvoll war. Denn innerhalb dieser Mauern wäre sie für alle Zeiten eine Gefangene.
Außer, wir nehmen sie mit. Aber konnten wir das Risiko eingehen, sie einzuweihen? Als Mrs. Walsh ihren Unterricht begann, warf sie mir nur einen kurzen Blick zu. Für den Rest der Stunde, in der sie vom Beginn der Kriege in Ungarn erzählte, mied sie meinen Blick. Sie stand unter Anspannung, das hörte man ihrer leicht zittrigen Stimme an, und als ich mich einmal nach hinten umdrehte, weil Mrs. Walshs Blick immer wieder dorthin ging, konnte ich meinen leiblichen Vater dort stehen sehen.
Ihn dort zu sehen, überraschte mich wenig, es hätte mich eher gewundert, wenn sie Mrs. Walsh unbeobachtet gelassen hätten. Die arme Frau tat mir lei d. Sie hatte nichts Schlimmes getan, nur
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