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Silence

Silence

Titel: Silence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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gut für mich. Erstmals seit der Sache auf Michelles Party zeigte jemand Interesse an mir. So schnell würde ich mich nicht einschüchtern lassen.
    Nachdem wir unsere Runde um den Schulhof gelaufen waren, versammelten wir uns wieder im Klassenraum.
    Ich hätte nicht laufen müssen, um meinen Puls zu beschleunigen, denn als Ermano seine Finger auf mein Handgelenk drückte, schnellte der von ganz alleine nach oben. Am liebsten hätte ich meinen verräterischen Körper dafür geohrfeigt.
    Schweigend saßen wir uns gegenüber. Ich wollte die drückende Stille durchbrechen, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Nervös wippte ich mit einem Fuß und knabberte auf meiner Unterlippe.
    »Einhundertfünfzehn«, sagte Ermano nach einigen endlos erscheinenden Sekunden.
    Ich griff zitternd nach Ermanos Hand und hoffte, er würde nicht merken, wie sehr sein Verhalten mich verunsicherte. Nur den Puls, sagte ich mir selbst. Ich konzentrierte mich auf das sachte Pochen unter Ermanos glatter Haut, das langsam und stetig gegen meine Fingerspitzen klopfte.
    »Noch immer fünfundfünfzig«, stellte ich verwundert fest.
    Ermano grinste. »Um mich aus der Puste zu bringen, bedarf es schon mehr als ein paar Meter über den Schulhof.«
    »Scheint so«, brummte ich und rutschte mit meinem Stuhl wieder etwas von Ermano ab. Mit den Augen folgte ich Mr. Carter, der durch die Klasse lief und die Protokolle einsammelte.
    »Du bist also adoptiert?«, fragte Ermano plötzlich und riss mich damit in einen Abgrund.
    Obwohl ich schon seit Monaten wusste, dass meine Eltern nicht meine leiblichen Eltern waren, bereitete mir dieses Thema noch immer Unbehagen. Zumal es um unsere Eltern-Kind-Beziehung seither nicht gerade zum Besten stand. Nicht dass sie vorher viel besser gewesen war. Das Thema Adoption war so etwas wie ein rotes Tuch für mich. Ich befand mich sozusagen noch in der Schockphase und hatte die Schwelle zur Verarbeitung noch nicht übertreten.
    »Die Informationskette funktioniert also noch«, gab ich widerwillig zu.
    »Scheint so«, bestätigte Ermano.
    Ich schluckte schwer. »Ist das der Grund, weswegen du so abweisend zu mir bist?«
    »Du denkst, ich würde dich verurteilen, weil du adoptiert wurdest?« Ermano riss erstaunt die Augen auf.
    »Würde es dich wundern, wenn ich dir sagen würde, dass du damit nicht der Einzige wärst?«, gab ich entschlossen zurück.
    »Keiner verurteilt dich deswegen.« Ermanos Stimme nahm etwas Beruhigendes an. Kurz zuckte seine Hand, als wollte er mich berühren, doch er zog sie gleich wieder zurück.
    Wenn er mich also nicht deswegen verurteilte, dann konnte es nur an dieser Sache mit Michelle liegen. Wollte er deswegen nicht, dass ich mit Giovanni zusammen war?
    »Ich verurteile dich nicht.«
    »So? Und warum bist du dann so komisch zu mir?«, fragte ich trotzig. Hastig stopfte ich meine Hefte in meine Umhängetasche. Das Brennen in meinen Augen nahm bedenklich zu und ich war nicht bereit, Ermano zu zeigen, dass mich seine Abweisung verletzte. Gleich würde das Klingelzeichen mich aus dieser unbehaglichen – um nicht zu sagen; beschissenen – Lage befreien.
    »Bin ich nicht. Und wenn überhaupt, dann bin ich zu jedem so. Vielleicht ist das so meine Art?«, gab Ermano nicht weniger trotzig zurück. »Es hat nichts mit dir zu tun, nur mit Giovanni. Wie gesagt, es ist besser, du hältst dich von ihm fern.«
    Ich zuckte wie beiläufig mit den Schultern. Es sollte so aussehen, als interessierte es mich nicht. Aber in Wirklichkeit ärgerte es mich sehr. Ich konnte mir nicht erklären, warum, aber Ermano übte eine fast noch größere Faszination auf mich aus als sein Bruder Giovanni. Aber es war eine andere Art Faszination. Nicht die, die einen die Hände schwitzen, das Herz rasen und den Magen kribbeln lässt, sondern die, die von einem verlangt, jedes Geheimnis des anderen zu ergründen. Vorsichtig schielte ich zu ihm rüber und erhaschte gerade noch einen Blick auf ein belustigtes Grinsen, bevor Ermano wieder seine steinerne Maske aufsetzte. Seine Finger spielten mit dem Schlauch des Stethoskops, während seine Augen auf den Lehrer an der Tafel gerichtet waren.
    Ich folgte seinem Blick und bekam gerade noch mit, wie Mr. Carter die Seiten aus dem Lehrbuch notierte, die wir bis zur nächsten Stunde zu lesen hatten. Ich fluchte. Noch mehr Hausaufgaben. Ich wusste jetzt schon kaum, wie ich alles schaffen sollte.
    »Romeo und Julia, wir sollten üben. Heute Abend? Hast du Zeit?«, sagte er jetzt

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